Das gesamte Ensemble steht in festlichen Gewändern auf der Bühne. Die Kinder sind in der Mitte auf Treppenstufen angesiedelt.

Alpenkitsch auf US-Amerikanisch

The Sound of Music: The Sound of Music

Theater:Landestheater Niederbayern, Premiere:14.12.2024Regie:Ian TalbotMusikalische Leitung:Basil H. E. ColemanKomponist(in):Richard Rogers

Das Landestheater Niederbayern bringt mit Ian Talbots Inszenierung von „The Sound of Music“ zur Weihnachtszeit einen echten Hollywood-Klassiker auf die Bühne: ein unterhaltsamer Abend mit einer Portion gut gemachtem Kitsch.

„The Sound of Music“ ist und bleibt ein Kuriosum. Zwar zählt die Hollywood-Verfilmung rund um den Globus fix zum weihnachtlichen Fernsehprogramm. Doch in unseren Breiten wird das Musical rund um die singende Trapp-Familie oft nur müde belächelt. Was unter anderem auch daran liegen mag, dass das Österreich-Bild der amerikanischen Autoren in etwa so authentisch und historisch akkurat ist, wie der von Karl May beschriebene Wilde Westen. Um „The Sound of Music“ zu genießen, muss man sich also zunächst einmal von allen allzu kritischen Fragen befreien und bereit sein, sich dem Kitsch zu öffnen.

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Genau dies tut nun nämlich auch Regisseur Ian Talbot bei seiner Inszenierung für das Landestheater Niederbayern. Malerisches Alpenpanorama und Trachtenparade inklusive. Das Ausstattungsduo Philip Ronald Daniels und Charles Cusick Smith hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet und auf der beengten Passauer Bühne einen Raum geschaffen, der mit wenigen Versatzstücken rasche Szenenwechsel zwischen der Nonntaler Abtei und der herrschaftlichen Villa der Trapps erlaubt.

Überzeugendes Ensemble

Wie einst Julie Andrews auf der Leinwand darf sich da nun Anja Haeseli vor liebevoll gepinselten Bergwiesen zum Titelsong über die Bühne zwirbeln. Als Maria strahlt sie vor jugendlichem Optimismus, findet aber auch schnell das Selbstbewusstsein, um den Haushalt des verwitweten Marine-Kapitäns Georg von Trapp kräftig aufzumischen. Der ist in Gestalt von Peter Tilch zum Glück keineswegs so eindimensional, wie es der Text nahelegt, sondern zeigt schon zu Beginn, dass die harte Schale nicht lange Bestand haben wird und ihm seine Kinder über alles gehen. Manches rauscht da in den leicht eingekürzten Dialogen etwas arg schnell vorbei. Ebenso wie der drohende „Anschluss“ Österreichs, der die Familie schließlich zur Flucht zwingen wird.

Aber das Ensemble macht das Beste daraus und kostet vor allem die kleinen Gags, die Regisseur Talbot immer wieder einstreut, genüsslich aus. Endgültig in Operetten-Sphären landet man da mit dem Auftritt von Georgs baldiger Ex-Verlobten Elsa. Aber trotzdem bedauert man es fast, dass ihre kurzen Szenen lediglich ein kurzer Stolperstein vor Marias unvermeidlichen Traumhochzeit sind. Weil Antonia Schuchardt einen wirklich großartigen Auftritt hinlegt und die Rolle mit ihrem biegsamen Sopran ordentlich aufwertet.

Ebenfalls hörbar aus dem Opernensemble stammt Sabine Noack als Mutter Oberin. Ihr gehört mit „Climb every mountain“ der große Hit der Show, den sie mit der nötigen Portion Pathos, aber gleichzeitig auch mit Herz ausstattet und dafür mit donnerndem Applaus bedacht wird. Und hoch in der Gunst des Publikums stehen natürlich auch in dieser Produktion die sieben Trapp-Kinder, die mit großer Spielfreude zum Gelingen dieser Premiere beitragen. Bei Nummern wie „Do-Re-Mi“ oder dem professionell gejodelten „Lonely Goatherd“ sind da das Schmunzel- und Mitklatsch-Potenzial“ schon während der Vorstellung hoch und am Ende nicht nur die Eltern unglaublich stolz auf die kleinen Profis.

Englische Lieder, deutsche Dialoge

Zwischen Graben und Bühne rumpelt es zwar manchmal schon ein wenig. Aber unterm Strich fängt Dirigent Basil H. E. Coleman kleine Schnitzer meist schnell wieder auf und treibt sein Orchester mit ordentlich Tempo durch die amerikanisierten Ländler- und Polka-Melodien. Ein wenig irritierend ist die Entscheidung, die Songs zwischen den deutschen Dialogen im Original zu belassen. Vor allem wenn Kapitän von Trapp die (fiktive) Österreich-Hymne „Edelweiss“ auf Englisch anstimmt. Aber nur so lange, bis einem einfällt, dass hinter dem Salzburger Unterberg ja auch nicht die Grenze zur Schweiz liegt und wir Schnitzel wohl selten „with noodles“ essen. Mag es sich auch noch so schön auf „crisp apple strudels“ reimen.

Werten wir dies also einfach mal wohlwollend als Brechtschen V-Effekt und erinnern uns lieber an den oben genannten Ratschlag. Denn gerade zur Weihnachtszeit darf es durchaus mal eine Portion gut gemachter Kitsch sein.