Angabe der Person Theater Konstanz

Eine Wutrede

Elfriede Jelinek: Angabe der Person

Theater:Theater Konstanz, Premiere:07.12.2024Regie:Hannes Weiler

Elfriede Jelineks intimer Einblick „Angabe der Person“ wird in der Bühnenfassung am Theater Konstanz auf den Wutaspekt gekürzt. Hannes Weiler inszeniert eine vom Tempo getriebene Handlung mit künstlich wirkenden Figuren.

Angabe der Person“, 2022 als Buch erschienen, ist ein sehr persönliches Werk von Elfriede Jelinek, wobei in jeglicher Literatur von ihr persönliche Erfahrung so verarbeitet wird, dass im subjektiven Empfinden zugleich die Welt, bzw. ihre Sicht auf die Welt erscheint. In „Angabe der Person“ schlägt Jelinek einen weiten Bogen: ihre Verfolgung durch bayrische Finanzämter wegen angeblicher Steuerhinterziehung verletzt sie zutiefst, weil in intimste Befindlichkeiten hineingewühlt wird. Da werden nicht nur Klospülungen gezählt, sondern auch E-Mails einbezogen oder 30 Kisten mit Unterlagen. Kein Wunder, dass Jelinek den Bogen zu Finanzskandalen wie Cum Ex oder Wirecard zieht. Berührender aber als die tiefe Betroffenheit über diesen Einbruch in ihre Privatsphäre ist das, was der Verlust ihrer dokumentierten Geschichte (die 30 Kisten) mit ihr macht: mit der jüdischen Vergangenheit der Familie ihres Vaters, mit der Geschichte des Nationalsozialismus, besser gesagt, wie wichtige nationalsozialistische Persönlichkeiten wie Baldur von Schirach davonkommen.

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Textstreichungen

Was Jelinek auf 150 Seiten in ihrem Buch aufzeichnet, ist ein durchgewirbelter Kosmos. Selbstironisch spricht sie sich als Elfie an und macht sich über ihre Kalauer und ihre Neigung zu endlosen Assoziationsketten lustig. Die Wirkungen von Corona zur Zeit des Notierens, Familiengeschichten, die eng mit dem Nationalsozialismus verbunden sind, Leidensgeschichten, vernetzt mit den Ausbrüchen gegen die korrupte Welt der Finanzen, alles formt sich zu dem, was Jelinek gleich zu Anfang beschreibt: ihre „Lebenslaufbahn“ zu rekonstruieren. Für das, was sie macht, hat sich der Begriff der „Textfläche“ etabliert. Jede „Textfläche“ stellt aber die Regie vor einer absoluten Forderung: Wie streiche ich den Text und mit wie vielen Personen besetze ich ihn zur Veranschaulichung?

Angabe der Person Theater Konstanz

Anne Rohde, Julius Engelbach. Foto: Ilja Mess

Hannes Weiler am Theater Konstanz streicht den Text um etwa zwei Drittel ein, da sind die Anspielungen auf Corona ganz gestrichen, auch die jüdische Geschichte des väterlichen Teils wird nur am Rande verhandelt. Stattdessen stellt er den Gestus der Wut in das Zentrum seiner Inszenierung, die einen ungeheuren Furor entwickelt: diese wird mit einem Tempo vorangetrieben, das mir als Zuschauer keine Möglichkeit gibt, über einen Satz oder eine Situation nachzudenken. Weiler teilt den Text auf zwei Schauspieler und zwei Schauspielerinnen auf. Er lässt sie als künstliche Figuren auftreten, anfangs mit hohen Frisuren, die an Jelinek erinnern, gegen Ende hin sind sie dann unter einer Gummimaske kahl.

Bühnenbild und Bedeutungsräume

Für die Inszenierung von Hannes Weiler hat Florian Dietrich ein Bühnenbild geschaffen, in dem zunächst schwarze Plastikbahnen den Blick auf die Hinterbühne verundeutlichen. Sie werden im roten Licht dann langsam transparenter (und sind am Ende von den Spielern alle heruntergerissen). Gezeigt wird eine leicht hügelig modellierte Landschaft und am Kreuz eine Figur mit roter Perücke (die Haarfarbe, wie Jelinek). Eine solche Symbolik öffnet viele Bedeutungsräume, die im Spiel von Julius Engelbach, Katrin Huke, Thomas Fritz Jung und Anne Rohde mit ihren kleinen Handtäschchen (Kostüme: Bettina Werner) lustvoll angenommen werden. Sie betonen das Künstliche ihrer Figuren im meist roten Licht, sprechen mal chorisch, mal als Solo. Ein wirklicher Dialog allerdings findet nicht statt, das Werk von Jelinek bleibt monologisch: eine Wutrede.

Mit Videos rahmt Weiler die Handlung ein. Am Anfang lässt er es ohne eine Bild rieseln, aus dem Off sind über Band die ersten Sätze zu hören, unterlegt mit Musik. Die Stimmen hören sich technisch an, wie überhaupt die eingespielten Musikfetzen und Töne technisch klingen und sich über das Spiel legen wie ein Hall aus der Vergangenheit, ein Konstrukt der erinnerten „Lebenslaufbahn“.