Bühne zwischen Opulenz und Schlichtheit
Die Inszenierung an den Landesbühnen Sachsen in Radebeul verzichtet glücklicherweise auf Mummenschanz, aber bringt die Szenerie trotzdem in allen Details auf die Bühne: Dafür hat Ralph Zeger zwei schwarze Wände in einem Winkel auf die Bühne gestellt, auf der mit farbiger Kreide zahlreiche Motive gemalt wurden: Amahls Fantasiegeschichten, das alte Schaf der Familie, die Könige und ein Baum. Ansonsten reichen einzelne Kisten, um die Geschichte zu erzählen. Und einen Schlitten mit einem Geschenketurm – ein schöner Verweis, dass dieser Teil der Geschichte für die Geschenktradition zu Weihnachten gesorgt hat, darum werden Gaben in Spanien erst am 6. Januar geöffnet.
Amahl sitzt an einer der schwarzen Wände und malt darauf, als seine Mutter ihn ermahnt, doch endlich ins Bett zu kommen. Als er ihr im Haus von einem ungewöhnlichen Stern erzählt, scheltet sie ihn, dass er nicht immer lügen soll. Doch das ist nicht ihre einzige Sorge: Sie sind arm und beide müssen betteln. Dann klopft es mitten in der Nacht: Drei Könige wollen in der armen Hütte rasten. Die hat Köstümbildnerin Barbara Blaschke in funkelnde Gewänder gesteckt – so wie sie auch in Krippen zu sehen sind.
Warme Klänge, herzerwärmende Figuren
Die Inszenierung von Julia Mintzer lebt viel von kleinen Gesten: Wie sich Antje Kahn als Mutter zu Amahl herunterbeugt und singt, als wäre er weit weg, erinnert manche Eltern vielleicht an Situationen auf dem Spielplatz. Auch die drei Könige, die gar nicht so viel zu sagen haben, entwickeln in Radebeul erstaunlich viel Charakter: Paul Gukhoe Song spiel seinen Melchior als einen Edelmann. Do-Heon Kim tritt als Balthasar eher weltmännisch auf. Währenddessen ist Kay Frenzel als Kaspar ein etwas verrückter, aber auch liebenswerter Kaspar. Gerade zu dritt überzeugen sie mit warmen Stimmen, die sich auch im Trio wunderbar verbinden.
Begleitet wird die Geschichte von den sanften Klängen Menottis: Für die Elbland Philharmonie ist die simple, aber wirkungsvolle Komposition keine große Herausforderung. Hans-Peter Preu versteht es, die pastoralen Klänge in angemessener Sanftheit ertönen zu lassen. Abgesehen von einzelnen Effekten wie Amahls Motiv, steht der Gesang auf der Bühne im Zentrum. Der wird hier mit punktuellen Schwierigkeiten mikrofoniert – damit sich auch die jungen Sänger des Amahls (im Wechsel sind Maximilian Wiederhold, Zifei Oliver Liu und Ben Hauptfleisch) behaupten können. In der dritten Vorstellung übernahm zum ersten Mal Zifei Oliver Liu mit zarter, glockenheller Stimme, die mit mehr Vorstellungen auch fester klingen wird.
Das Wunder in Radebeul
Die Apotheose löst sich in dieser Vorstellung leider nicht ganz ein: Amahl hat eine Gehbehinderung, von der er überraschend geheilt wird, als er erklärt, dass er dem neugeborenen König, also Jesus Christus, seine Krücken überlassen will. Dass er Schwierigkeiten beim Gehen hat, wird aber weder im Libretto noch in der Inszenierung deutlich. Regisseurin Mintzer hat für Amahl ein Tanz-Double auf die Bühne geholt: Bei einer kurzen Vorstellung vor dem eigentlichen Stück erzählt Virginie Blei, dass sie selbst einmal Probleme mit dem Laufen hatte. Es ist eine schöne Idee, diese Form von authentischen Behinderungserfahrungen auf die Bühne zu holen, doch dass Blei für das Kind Amahl eine Traumfigur, eine Motivation sein soll, erzählt sich kaum.
Vielleicht ist eine andere Erkenntnis wichtiger: Nachdem Amahls Mutter Gold gestohlen hat, wird ihr nicht nur verziehen, sondern das Gold sogar überlassen. Der kommende König lebt nicht durch Reichtum, sondern durch Liebe. Auch die Verbindung, dass Amahl mit seinen unglaublichen Geschichten plötzlich die Wahrheit erzählt und sogar geheilt wird, ist ein Zeichen für Liebe.
Das kommt sicherlich auch beim Publikum an, das bei der dritten Vorstellung fast ausschließlich aus jungen Schüler:innen besteht: Ja, die Kinder werden in der Mitte unruhig auf ihren Sitzen, wenn Amahls Mutter ihre Sorgen langwierig aussingt. Aber sie bleiben auch ruhig, hören zu. Es ist ein wunderbarer erster Kontakt für junges Publikum mit Musiktheater, das lieber mit einem schönen Gefühl statt mit einer Moral endet.