Fitz woyzeck creature

Das Tier Mensch

puls_de_kern: woyzeck creature

Theater:FITZ Zentrum für Figurentheater, Premiere:10.10.2024Vorlage:WoyzeckAutor(in) der Vorlage:Georg BüchnerRegie:Iris Keller

Gemeinsam mit der Gruppe „puls_de_kern“ inszeniert Iris Keller „woyzeck creature“ am FITZ in Stuttgart. Frei nach Büchners „Woyzeck“ hinterfragt das Stück das animalische Wesen des Menschen.

Woyzeck gilt als der geschundene Mensch in der Literatur. Büchners Kompilation aus verschiedenen Gerichtsakten seiner Zeit führt vor, was der soziale Status aus einen Menschen macht, der sich überall verdingen muss, um überleben zu können: als Soldat, als persönlicher Diener seines Hauptmanns und als jemand, der sich für obskure medizinische Experimente zur Verfügung stellt. Eingebunden in einen Alltag, der nur aus Demütigungen besteht – die höchste, als er zuschauen muss, wie Marie, seine Geliebte, mit der er ein Kind hat, mit dem Tambourmajor anbändelt – weiß er keinen anderen Ausweg als den Mord an seiner Geliebten.

Büchner führt in seinem Fragment die Zwangsläufigkeit vor, wie ein Mensch in einen kreatürlichen Zustand jenseits der Zivilisation zurückgeworfen wird, wenn ihm die Gesellschaft keine Chance gibt. Aber mehr noch wird der Mensch zu einem animalischen Wesen, der seinen Instinkten ausgeliefert ist. Iris Keller treibt in ihrer Inszenierung mit der Gruppe „puls_de_kern“ diesen Aspekt ins Extrem: Der Woyzeck des Marius Kob agiert in einer Eselsmaske, die Marie der Anne Brüssau agiert mit einer Katzenmaske und alle wie Hauptmann oder Doktor in einer Affenmaske (Maskenbau: Jan Vagner). Da neben dem Entertainer und Musiker Marius Alsleben, der die Inszenierung gekonnt mit seinen Ansagen und Liedern vorantreibt, nur Kob und Brüssau spielen, lassen sich mit den Masken auch die Rollen tauschen. Iris Keller und das Ensemble beherrschen dieses Spiel perfekt. Da wird mitten in der Szene die Maske getauscht und eine neue Maske angenommen, ohne, dass es im Spiel zu einem Bruch kommt.

Fitz woyzeck creature

Marius Kob, Anne Brüssau, Marius Alsleben. Foto: Daniela Wolf

Räumekarussell

In der Fassung von „puls_de_kern“ beginnt „Woyzeck“ mit der Begrüßung des Publikums und dann mit der Jahrmarktsszene, in der ein Pferd als Attraktion vorgeführt wird. Blitzschnell wird dabei das von Oliver Klauser entworfene Lattengerüst zum Karussell, immer neu ineinandergeschoben oder auseinandergezogen werden schnell Räume geschaffen, so dass ein hohes Spieltempo entsteht. Unterstützt wird dieses durch die gelungene Animation der Masken, die einmal von der Hand vor dem Körper geführt werden, zum anderen vor dem Gesicht oder aufgesetzt geführt werden. Die kurzen Kommentare und Lieder von Marius Alsleben schaffen nicht nur Atmosphäre, sondern treiben die Aufführung voran.

Iris Keller hat mit „woyzeck creature“ eine beklemmende Studie über die Kreatürlichkeit der Figuren bei Büchner in Szene gesetzt. Dass diese dabei mit der Reanimalisierung des Menschen verbunden ist, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.