Staatstheater Wiesbaden: Zerwürfnis beendet

Nach fast zehn Jahren und einem internen Zerwürfnis hat Uwe Eric Laufenberg seinen Posten als Intendant des Staatstheaters Wiesbaden geräumt – vorzeitig und laut Ministerium einvernehmlich. Eine Bilanz.

Im September 2014 gab Uwe Eric Laufenberg mit „Die Frau ohne Schatten“ seinen Einstand am Wiesbadener Staatstheater. Der Regie führende Theaterchef steuerte  das Publikum dorthin, wo es sich gern aufhält: zu Richard Strauss. Das Orchester spielt bisweilen noch aus Noten, in denen die Vorgänger der heute Musizierenden Anweisungen notierten, die auf den Komponisten als Gast am Pult des Klangkörpers zurückgehen. Früh wurde klar, wen Laufenberg und die von ihm engagierten Kolleginnen und Kollegen ins Auge fassten: kaum die Intellektuellen, vielmehr das Bildungs- und Besitzbürgertum. Avantgarde ist im einstigen Modebad wenig gefragt.

Laufenberg trug bürgerlichem Repräsentationsbedürfnis Rechnung. Oft im Verein mit Rolf und Marianne Glittenberg, deren Ausstattung Heutigkeit und Eleganz verband. Wesentlich traf das auch auf Gisbert Jäkels Bühne für Wagners „Ring“ zu. Der spätere Bayreuther Meister firmiert als oberster Wiesbadener Musiktheater-Gott. Schon, weil er fast ein Jahr  in einer Villa am Biebricher Rheinufer logierte (1862). Laufenberg, Jäkel und Kostümbildnerin Antje Sternberg fanden zu oft einprägsamen Lösungen. Szenischer Verdichtung standen keineswegs unvermeidbare Durststrecken nicht allein im „Ring“ gegenüber.

Uwe Eric Laufenberg. Foto: Sven-Helge Czichy

Der Regisseur Laufenberg ließ sich auf das ein, was ihn packte. Den Rest erledigte er handwerklich versiert, ab und an fahrig. Bis in die Repertoirevorstellungen hinein waren die Wagner- und Straussproduktionen namhaft besetzt: Evelin Herlitzius, Maria Bengtsson, Catherine Foster, Lance Ryan und Andreas Schager ragten aus Ensembles von hoch beachtlichem sängerischem Standard heraus. Mozart war der Wagner- und Strausspflege gleichrangiger Repertoireschwerpunkt.

Nicolas Brieger ließ den keinesweg lustbetont- selbstbestimmten, sondern wie ein abhängig Beschäftigter des eigenen Sexualtriebs agierenden „Don Giovanni” im Altersheim des Niedrigpreissegments enden (2018). Nun wieder sein eigener Spielleiter, schloss Laufenberg das erste und letzte der sieben Hauptwerke Mozarts für das Musiktheater zu einer Doppelpremiere zusammen (2019). „Idomeneo“ baute noch ganz auf das Eingreifen göttlicher Mächte, „Titus“ verweist des Menschen Autonomie. Beides kontrastierte Laufenberg sinnfällig.

Covid auf der Schippe

„Le nozze di Figaro“ war Bestandteil der zweiten Dopelpremiere, der andere „Il barbiere di Siviglia“ (2020). Nach Maßgabe der Handlungsfolge bei Beaumarchais brachte der erste Abend Rossinis Oper. Dies während Covid. Fortwährend ins Schwarze treffend, reizte Regisseur Tilo Nest die mit der Pandemie verbundenen Klischees aus. Vor den wenigen hundert zugelassenen Besuchern wurden Abstandsgebot, Fledermaus und Gürteltier zu Lachnummern. Am Folgeabend landete der Hausherr Laufenberg als sein eigener Regisseur einen Coup. Zigfach getestet, agierte das Ensemble ohne Distanz. Während der Seuche zeigte Laufenberg künstlerische Hochform. Seine liberal-bürgerliche Künstlerempörung hatte sich zunächst in einer aus dem Boden gestampften Beckett-Trilogie Luft gemacht.

„Glückliche Tage“, „Endspiel“und „Warten auf Godot“  spiegelten gleichermaßen die obwaltende gesellchaftliche Stagnation, zugleich den Widerstand gegen das Diktat der Seuche durch das Dagegen-Anspielen. Hier erlangte das Wiesbadener Sprechtheater eine Intensität, die es zuvor etwa in der Bühnenfassung von Daniel Kehlmanns Bestseller „Tyll“ bewiesen hatte. Regie führte Tilo Nest (2021). Die zum Baghdad International Festival eingeladene Produktion wurde dort ausgezeichnet. Tom Stoppards „Die Küste Utopias“, für die Henriette Hörnigk Regie führte, wuchtete eine ähnlich aufwendig formatierte Produktion auf die Bühne des Großen Hauses, sie spürte der Geschichte der Revolutionen durch die Jahrhunderte nach (2022).

Maifestspiele und Repertoirebetrieb in Wechselwirkung

Auch bei den Maifestspielen war das Sprechtheater durch Gastspiele Maßstäbe setzender Ensembles vertreten. Für die Oper wirkte Laufenberg immer wieder auf Synergieeffekte von Festspielen und Repertoirebetrieb hin. Premieren hauseigener Produktionen eröffneten das Festival und liefen später durchs Abonnement. So Jörg Widmanns „Babylon“ in Daniela Kercks Regie, das in Wiesbaden zum ersten Mal seit der Uraufführung an der Lindenoper nachgespielt wurde (2022). Ein achtbar gelöstes Mammutunternehmen.

Neue Akzente aber wurden hernach nicht mehr gesetzt. Bei dem durch die allbekannten Kabalen vergifteten Betriebsklima war das auch kaum zu erwarten. Laufenberg schied im Januar 2024 aus dem Amt. Mit ihm verließ ein streitbar profilierter Theater- und Spielleiter das Haus. Freilich einer, dessen Werk Patina anzusetzen begann.