Zu sehen ist die Semperoper Dresden auf dem Theaterplatz in der Dämmerung

Semperoper Dresden: Krönung für Peter Theiler

Souverän steuerte der Schweizer Peter Theiler in den vergangen sechs Jahren die Semperoper in Dresden. Er befragte den Kanon und ermöglichte wichtige Uraufführungen. Nun übergibt er das gut bestellte Haus wieder in Schweizer Hände: an Nora Schmid. Die Bilanz einer Ära.

„Benvenuto Cellini“ war die letzte große Neuproduktion der Intendanz von Peter Theiler. Damit stand jetzt nicht nur eine besondere Premiere am Ende seiner Ära. Sie hatte auch so begonnen. Calixto Bietos Inszenierung von Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ lieferte 2018 mit programmatischer Wucht den Auftakt, der mit künstlerischen Mitteln auch auf die politische Situation in Dresden reagierte. Mit der selten gespielten Künstleroper von Hector Berlioz schließt Theiler als bekennende Liebhaber französischer Oper ab. Diese Klammer markiert in gewisser Weise auch die Spannbreite dessen, was ein Haus wie die Semperoper neben der Musik ihrer Hausgötter Richard Wagner und Richard Strauss eben auch bieten muss, um als Opernhaus in der internationalen Spitzenliga mitzuspielen.

Wagner war mit den „Meistersingern“ von Jens Daniel Herzog, mit denen die Staatskapelle und Christian Thielemann in ihrer zeitweiligen österlichen Festspiel-Dependance Salzburg schon geglänzt hatten, und die dann im Januar 2020 nach Dresden kamen und mit einer ebenfalls von Thielemann veredelten Ring-Wiederaufnahme im Frühjahr 2023 nicht übermäßig, aber angemessen vertreten. Der andre Richard kam mit drei Neuproduktionen zu Bühnenehren. Wobei „Die Frau ohne Schatten“ vom März dieses Jahres ebenfalls zu den Triumphen des scheidenden, inzwischen an der Lindenoper in Berlin die Nachfolge von Daniel Barenboim antretenden Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle gehörte. Für ein volles Haus und musikalische Referenzqualität stand er allemal. Theiler war jedenfalls klug beraten, sich über die Jahre mit dem streitbaren Wagner- und Strauss-Statthalter auf Erden zu arrangieren. Ob das dessen neuer Chefin in Berlin auch gelingt, gehört in die Rubik der offenen Fragen der nächsten Jahre.

Der erfahrene Schweizer Opernprofi Theiler hat jedenfalls bewusst und unterm Strich erfolgreich großes Musiktheater ermöglicht. Dabei hat er dem Programm eine Vielfalt gesichert, mit der er das Klischee einer geschmeidigen Gefälligkeit für Touristen bedient und zugleich beherzt unterlaufen hat. Den Kanon befragen und in einen gesellschaftlichen Bezugsrahmen setzen – diesem selbst gesetzten Motto hält seine Bilanz spielend stand.

Er holte Regisseure wie Peter Konwitschny oder Andreas Dresen

Dazu hat er interessante Regisseure ans Haus geholt. Altmeister Peter Konwitschny konnte er sogar für drei Produktionen zurückholen. 2019 für Meyerbeers „Hugenotten“ (mit Stefan Soltész am Pult), dann 2021 für Bellinis „Norma“ (mit dem Dirigenten Gaetano d’Espinosa) und schließlich 2022 für Schostakowitschs „Nase“ (mit Petr Popelka als Partner im Graben). Regisseure wie Andreas Dresen (mit „Pique Dame“ und dem Dirigenten Mikhail Tatarnikov) oder David Bösch („Frau ohne Schatten“) gehören in die Kategorie risikobereit. Die Einladung an viele verschiedene Dirigenten steht bei einem Orchester wie der Sächsischen Staatskapelle übrigens vor allem für Flexibilität und Offenheit.

Theiler hat neben der Ensemblepflege bei den ergänzenden Verpflichtungen auf die Exzellenz geachtet, die ein Haus wie die Semperoper braucht, um auch die auswärtigen Besucher anzulocken. Ohne die könnte auch eine Stadt wie Dresden so ein Nobelhaus nicht füllen. Das reichte bis zum Elisabetta-Debüt von Anna Netrebko in einem konzertanten „Don Carlo“ im Juni 2020.

Peter Theiler. Foto: Ludwig Olah

Für Peter Theiler, der seit 28 Jahren als Intendant arbeitete, war nach seinen Anfängen in der Schweiz, Gelsenkirchen und Nürnberg, Dresden das vierte Haus für das er die Gesamtverantwortung trug. Seine Arbeit in der Stadt an der Elbe kann er zurecht als eine im Ganzen gelungene Krönung für sich verbuchen. An Erfahrung gewachsene Professionalität bewährte sich nicht nur darin, ein Haus wie die Semperoper sechs Jahre skandalfrei, sondern auch sicher durch die Corona-Krise gesteuert zu haben. Die Besucherzahlen sind in Dresden wieder auf dem Vor-Coronaniveau angekommen. Das Buchungsverhalten hat sich zwar verändert – die Entscheidungen für einen Opernbesuch fallen auch in Dresden kurzfristiger und spontaner. Aber unterm Strich ist das Haus (wieder) voll.

Für Theiler selbst waren die drei Uraufführungen, die er in Auftrag gegeben hat und die dann auch uraufgeführt wurden, echte Höhepunkte. Auch, weil sie trotz Corona realisiert werden konnten. Für „Die andere Frau“ von Torsten Rasch nutzte Immo Karaman im Januar 2022 das Potenzial des Hauses. Im September 2022 folgte „Chasing Waterfalls“ (Angus Lee/phase7/kling klang klong) als ein von KI gedichtetes, komponiertes und gesungenes Experiment. Im Februar diesen Jahres  schließlich bot Dresden die nicht nur landesweit beachtete neue Oper von Detlev Glanert „Die Jüdin von Toledo“ bei der Jonathan Darlington am Pult stand. In seiner Inszenierung umging Regisseur Robert Carsen auch den brisanten Bezug zur Gegenwart nicht. Für Theiler selbst wurde diese Produktion zum größten Erfolg seiner Intendanz!

Peter Theiler hat unterm Strich bewiesen, dass ein so schmuckes Haus an einem der wohl schönsten Opernvorplätze der Welt vor allem eine Ort für spannendes Musiktheater auf hohem musikalischen Niveau sein kann. Mit sich im Reinen übergibt Theiler an seine Nachfolgerin jedenfalls ein wohlbestelltes Haus.

Die Semperoper hat einen nobel gestalteten „Rückblick Intendanz Peter Theiler“ herausgegeben.