Foto: Auf dem Weg zum Himmel: Marei (Luisa Grüning). © Viktoria Kühne
Text:Erik Zielke, am 20. Juni 2024
Das Puppentheater Magdeburg zeigt „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ als famoses Hofspektakel. Dargestellt durch Puppen sind lediglich die Tiere – und der Gevatter Tod selbst.
Das Bayerische hat keinen leichten Stand in Sachsen-Anhalt. Die Vorbehalte mögen aus längst vergangener, preußischer Vorzeit stammen – aber sie halten sich. Ein wenig belächelt man die beherzt-deftige Lebensart, zeigt sich ratlos angesichts des selbstbewusst gesprochenen Dialekts und schüttelt mitunter den Kopf ob der süddeutschen Volkstümelei. Diese Zeichen des Befremdens sind, auch das gehört zur Wahrheit, selbstredend ganz gegenseitig. Und da braucht es also schon das Puppentheater Magdeburg, um interkulturelle Versöhnung zu stiften.
Zum Spielzeitfinale hat man sich für eine Inszenierung von Kurt Wilhelms „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ als Hofspektakel in der Regie von Stefan Wey entschieden. Der moderne Klassiker des Volkstheaters – und dieses Genre beherrscht man in Bayern zweifellos – ist die rechte Vorlage für den gewitzten Umgang mit den letzten Fragen. Der Mut bei der Stückauswahl macht sich also bezahlt.
Auf Probe im Himmel
Der Titelheld entgeht bei der Jagd nur knapp einem tödlichen Schuss. Der Boandlkramer, wie der Tod hier im süddeutschen Idiom zärtlich genannt wird, klopft an dessen Tür, um sich zu holen, was ihm zusteht. Kaspar schenkt seinem Gegenüber großzügig vom Schnaps ein, betrügt ihn beim Kartenspiel und prellt ihn so um 18 weitere Lebensjahre. Das Glück währt nur kurz, stirbt doch schon bald Kaspars geliebte Enkelin Marei bei dem Versuch, ihrem Geliebten, dem wildernden Jäger Flori, zur Hilfe zu eilen. Und so verliert Kaspar die Freude am Leben und nimmt das Angebot des Boandlkramers an, schon vor der Zeit den Himmel auf Probe aufzusuchen. Zeigt man sich dort auch erst verschnupft darüber, dass der Tod aus Nachlässigkeit in diesem Fall deutlich gegen das Protokoll verstoßen hat, erweisen sich die Himmelsgestalten schließlich doch als gnädig gegenüber dem Brandner Kaspar.
Mit großem Ensemble und in freundlich-ironischem Ton bringt das Puppentheater Magdeburg das Stück leicht gestrafft auf die Bühne. Auch ohne zur Puppe zu greifen, behalten die Darstellerinnen und Darsteller eine klare Distanz zu ihren Rollen. Die erstaunlich uneitle Spielweise, die Ernsthaftigkeit beim Vorantreiben eines humorigen Stoffs und die virtuose Körperlichkeit, die die Auftritte bestimmt, schaffen eine spürbare Spannung beim Publikum und machen das Spektakel sehenswert.
Der Tod als Star des Abends
Aber geht es denn ganz ohne Puppe an diesem Ort? Die Tiere – der Hirsch, das Pferd des Boandlkramers, auch die Kühe – werden durch Puppen und mit Objekten verkörpert. Auch der Tod entzieht sich hier der Darstellbarkeit durch einen Schauspieler. Durch eine Bunraku-artige Puppe, geführt mal von zwei, mal von drei Spielern, wird der Boandlkramer zum Star des Abends. Man merkt dem Gevatter sein Alter an. Jede zögerliche Bewegung, jedes erneute Sich-Aufraffen und jeder Griff zum Schnapsglas sitzt. Die Entscheidung für die puppenhafte Darstellung zeigt den Tod deutlich so, wie er auch bei Kurt Wilhelm angelegt ist: Als ein Rad im Getriebe, einen stark geforderten Arbeiter, der auch nur Stück für Stück seine Aufträge erledigt.
Auch nur ein erschöpfter Arbeiter: der Boandlkramer. Foto: Viktoria Kühne
„Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ zeigt das Sterben und jenseitige Fortleben also auch nur Fortsetzung der kleinbürgerlichen Existenz, der man hier und da ein Schnippchen schlagen kann. So wird der Tod, diese undemokratische Instanz, die kommt, wann sie will und sei es noch so ungerecht, zumindest im Spiel begreifbar und erträglich.
Die Lust, mit der beim Puppentheater Magdeburg szenische Vorgänge ausgespielt werden – was im Sprechtheater seit geraumer Zeit erheblich aus der Mode geraten ist –, weckt auch bei den Zuschauerinnen und Zuschauern Freude. Dass mitunter die Spannung mal nachlässt, was während der längeren handlungsarmen Dialoge passiert, und das hier nicht jeder Regieeinfall zündet, etwa die bemühte Rahmenhandlung, die eine Fernsehaufzeichnung simuliert, bleibt da allemal verzeihlich.