Im „Rheingold“ zieht Konwitschny souverän alle Register seines Könnens. Er spürt in jeder Szene den komödiantischen Witz auf, ohne das als puren Klamauk zu verramschen. Er zeigt allemal das Menschelnde in der Göttersippschaft oder bei den Riesen und das Abgründige bei den Nibelungen.
Es beginnt als sichtbares Theater mit einem Alberich, der die Angel in den Orchestergraben hält, in dem der Rhein mit packender Intensität zu fließen beginnt. Der geschlossene Vorhang wird in die Neckerei einbezogen, die die Rheintöchter (Sooyeon Lee, Tanja Christine Kuhn,Marlene Gaßner) mit Alberich veranstalten. Fürs Unten und Oben erklimmen sie eine Stehleiter.
Schamanen zwischen Dortmund und Erfurt
Das Rheingold ist eine riesige, golden schimmernde Plane auf dem Boden. Die Götter hausen in Jurte, Zelt und Erdhöhle. Auch sonst bevorzugen sie den Fred-Feuerstein-Look. Man spielt mit einem Knochen wie heute mit den Handys. Wotans Speer ist ein Riesenknochen, man prostet sich mit Trinkhörner zu. Es ist ein Spielplanzufall, aber die Ähnlichkeit zu dem Schamanenaufmarsch vor kurzem im Erfurter „Rheingold“ verblüfft. Aber nur auf den ersten Blick.
Auf den zweiten macht der Vergleich den Unterschied zwischen Effekthascherei (in Erfurt) und einem Regietheater deutlich, das souveräne Personenregie ebenso beherrscht, wie das Spiel mit den Zeiten und Bedeutungsebenen.
Theater über Menschen
Für den Witz, der bei Konwitschy hinter jeder Ecke lauert, mag die Geste stehen, mit der Fricka Wotans Behauptung quittiert, das er ein Auge für sie geopfert habe. Diese zupackende, lebenspraktische Göttergattin zeigt ihm einfach den Vogel, so nach dem Motto „Das kannst du sonst wem erzählen!“
Natürlich übersieht Konwitschny nicht, was sich zwischen Fasolt und Freia während der Entführung entspinnt. Er macht daraus eine anrührende Liebesgeschichte. Soviel Mitgefühl mit einem unter der rauen Schale schüchternen, sich nach Liebe sehnenden Fasolt hat man auch noch nicht erlebt. Er hat schon bei der ersten Begegnung einen Blumenstrauss dabei, wirbt um sie, die ihm laut Vertrag eh zusteht. Sie hockt dann ihrerseits tieftraurig über seiner Leiche. Am Ende überlebt auch Freia (Irina Simmes) nicht. Ein Hauch von Tristan und Isolde, der im Hintergrund durch die Szene weht.