Foto: © Dominique Brewing
Text:Manfred Jahnke, am 25. Februar 2024
Das Junge Ensemble Stuttgart präsentiert sein erstes Musical. Zusammen mit der Band der Popakademie Badem-Württemberg wird ein Musical konzipiert, das nicht nur junge Menschen unterhält. Zwischen rasant tanzenden Bewegungen geht es um die Beziehung der Schüler zu Kunst.
Schüler in ein Kunstmuseum zu schicken, damit sie etwas über die Kunst, aber noch mehr über sich selbst erfahren, ist keine schlechte Idee. Wenn dazu eine Rockband harte Rhythmen erzeugt, wird es nicht nur für ein junges Publikum noch spannender. Ebenso, wenn „Das Bildnis der Tänzerin Anita Berber“ von Otto Dix lebendig wird und die rotgewandete Frau aus dem Bild heraustritt. Wie Svea Kirschmeier diese Red Lady aus den zwanziger Jahren in die Gegenwart zwingt und damit Museumsaufsicht und Schüler durcheinanderwirbelt, ist alleine schon sehenswert in diesem von David Pagan komponierten Rockmusical. Wie sie die Attitüde der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts annimmt, ohne sie zu karikieren, ist sehenswert. Ihre Auseinandersetzungen als Inbegriff der „Kunst“ mit dem „Museum“, den Maximilian Schaible in einer grünen Uniform (Kostüme: Caroline Stauch) mehr reagierend, als agierend spielt, aber immer charmant, zielen auf grundsätzliche Fragen: Was bedeutet jungen Menschen Kunst?
Emotionen durch Kunst
Kirsten Fuchs als Autorin und David Pagan als Komponist haben keine Antworten, sie konzentrieren die Vorgänge in „Shame“ auf die Emotionen, die beim Betrachten von Kunstwerken entstehen können. Sami, der Estelle Schmidlin aufmüpfige, wie schüchterne Töne gibt, zeichnet Birte, der Daniela Ruocco ein zartes Rollenbild gibt. Als Birte ihr Abbild entdeckt, gelingt es den Beiden nicht, wirklich miteinander zu kommunizieren. Stattdessen gehen sie sich aus dem Weg. Währenddessen versuchen „Kunst“ und „Museum“ zu helfen und lenken die Aufmerksamkeit auf die Aufgabe, die die jungen Menschen erfüllen sollen: Sie sollen sich ein Kunstwerk mit einem Lebewesen suchen, mit diesem in Kontakt zu treten und über diese Begegnung einen Bericht zu schreiben. Neben Otto Dix sind u.a. Werke von Grant Wood („American Gothic“), Vermeer („Das Mädchen mit der Perlenkette“) oder Gerhard Richter („Judith“) zu sehen. Sie werden alle kurz angespielt oder zumindest angeleuchtet – als Angebote für die Aufgabe.
Das Ensemble des Musicals „Shame“ un die Band der Popakademie Baden-Württemberg. Foto: Dominique Brewing
Wichtiger als diese wird allerdings das, was zwischen den jungen Menschen stattfindet: die kleinen Beziehungsgeschichten, die nun nicht mehr in einem privaten Rahmen, sondern einem öffentlichen Raum stattfinden. Da mischen dann auch Bulli, der Lola Merz Robinson resolute Töne gibt, und Elvis mit, von Frederic Lilje sensibel angelegt. Als es dann zwischen Sami und Birte gar nicht mehr weiter gehen will, gibt „Kunst“ den Weg frei in einen Raum, der eigentlich nur von Menschen ab 18 Jahren betreten werden darf. In dieser Installation lernt der Betrachter, sich selbst zu erkennen – und das kann wehtun. In ihrer Inszenierung lässt Grete Pagan das Ensemble in einem engen geschaffenen Raum sich tanzend (Choreografie: Angélica Topfstedt) verausgaben. Pagan konzentriert sich in ihrer Regie auf schnelle Bewegungsabläufe. Das Tempo folgt den Rhythmen der Musik – fast atemlos.
In Kooperation mit der Popakademie
Caroline Stauch hat dafür einen Raum geschaffen, der so ein Tempo zulässt. Rechts dominiert eine Treppe, die aufwärts geht, wie man sie aus vielen Museumsfoyers kennt. In der Mitte steht ein roter Kasten, in dem das Bildnis – und deren Verkörperung durch Svea Kirschmeier – der Anita Berber untergebracht sind. Hinten links dann stehen zwei runde Podeste für die Band. Zum ersten Mal arbeitet das Junge Ensemble Stuttgart mit der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim zusammen. Fermin Emanuel Abanto Uloa (Gitarre), Philipp Bindreiter (Schlagzeug), Clara John (Klavier) und Lonteshia Jayne Stripf (Bass) sind Studierende an der Popakademie. Fetzig spielen sie die Kompositionen von David Pagan, die absolut rocken. Pagan arbeitet dabei einerseits mit melodischen Sequenzen, die man zu kennen glaubt, die aber dann gleich wieder in überraschenden Wendungen gebrochen werden. Er entwickelt dabei einen Drive, den die Musiker um Svea Kirschmeyer, die musikalische Leiterin, immer weiter vorantreiben – und auch das Publikum mitreißt.
Kurz: da ist ein spannendes Musical in der Musicalstadt Stuttgart entstanden, das nicht nur jungen Leuten Spaß macht, sondern auch Erwachsenen gefallen wird.