Foto: Ensembleszene © Matthias Baus
Text:Petra Mostbacher-Dix, am 4. Dezember 2023
Stuttgarts Tanz-Ikone Eric Gauthier hat an der Staatsoper sein Musiktheater-Regiedebüt gegeben: mit der opulenten Barock-Show „Das Fest”, viel Tanz und Musik – unter Einbezug des begeisterten Publikums.
„La Fest“, die erste Musiktheater-Regiearbeit von Eric Gauthier, kommt nicht als musikalisches Schauspiel daher. Es ist als barocke Feier des Lebens konzipiert, statt Ouvertüre gibt es einen Prolog. Der ist kurzweilig geraten, bei Saallicht wie einst im Barock, damals freilich mit Kerzenschein. Während sich im Prolog acht Tänzerinnen und Tänzer warm machen, ein Teil des Staatsorchesters die ersten Stücke vor der Projektion eines barocken Logentheaters und zwischen allerlei Kulissen aufspielen, stellt Gastgeber Gauthier die Auftretenden mit Gesprächen und Publikumsübungen vor. Die meisten machen mit, als Tenor Alberto Robert zum Mitsingen lädt oder Sopranistin Claudia Muschio „Rimembranze crudel“ aus der Georg Philipp Telemanns Oper „Germanicus“ in Gebärdensprache intoniert. Bariton Yannis François tanzt gar, war er doch mal Mitglied des Béjart Ballet Lausanne.
Alle steuern ihre Lieblingsarien bei
Alle hätten ihre Lieblingsarie in „La Fest“ einbringen können, sagt Gauthier. Und so steuert Mezzosopranistin Diana Haller beim Warm-up „Alto Giove“ aus Nicola Porporas Oper „Polifemo“ bei. Countertenor Yuriy Mynenko hat sich aus „Last Booke of Songs or Aires“ John Dowlands „Time Stands Still“ ausgesucht, Sopranistin Natasha Te Rupe Wilson gibt „Suivez les Lois“ von Jean-Philippe Rameau aus dem Opéra-ballet „Les Fêtes Hébés“, das Ganze im Duett mit Robert, unterstützt vom Staatsopernchor.
Letzterer wiederum entlockt den Zuschauenden – animiert von Dirigent Benjamin Bayl – kräftige „LaLaLas“, als es Vivaldis Frühling ansingt. Bayl war es auch, der die barocke Playlist für „La Fest“ aufstellte: Ensembles, Chöre und Tänze von 1600 bis 1760 von Bach und Cavalli über Händel und Lully bis Purcell. Ursprünglich zehn Stunden lang sei diese auf drei Stunden gekürzt worden, so der niederländisch-australische Organist und Experte für historische Aufführungspraxis.
Die Erinnerungen einer alten Dame
„La Fest“ ist revueartig in eklektischen, nicht-chronologischen Szenen aufgebaut: Geht es doch um eine 90-jährige Dame, zitternd im Rattan-Rollstuhl sitzend, die sich gegen Ende ihrer Tage an Feste ihres Lebens erinnert. So verjüngt – und vom Hausmädchen mit Perlenkette und Brillantringen aufgeputzt – durchlebt sie die guten alten Zeiten nochmals: Festessen, Partys, ihre letzte Hochzeit mit einer jungen Frau, Eifersuchtsdramen…
Die Kulisse hat sich nun zu einem Ballroom verändert. Das Orchester sitzt auf silbernen Rängen, einem Amphitheater gleich. Davor wird gewuselt, per pedes oder auf Rollschuhen die festliche Tafel gerichtet. In den Logen machen sich Gäste mit pompösen Kostümen schick, farbenfroh und frech auf den Punkt gebracht von Kostümbildnerin Gudrun Schretzmeier.
Barocke Feierrituale
Die ideale Vorlage also für barocke Lamentos, Ostinati und Arias mit aufregenden Klangspielen und Koloraturen. Gauthier zieht viele Register der barocken Feierrituale, die die höfische Gesellschaft vom Tag in den Abend verlegte. Wie einst geht es auch auf der Bühne um Divertissement auf allen Ebenen. Da wird getanzt im Stile des Hofes und des Balletts, der Moderne und der Jugendkultur – mitreißend die Tänzerinnen und Tänzer, Breakdancer Louis Buß zieht ein wahres Windmill-Feuerwerk ab und der grandiose Opernchor verrenkt sich in allerlei Posen, während er Händel singt. Szenen später sinkt das Partyvolk auf den Boden – es hat an psychedelischen Fröschen geleckt – um kurz darauf wie wild zu raven und Aggressionen abzulassen. Bis „Smile“ ertönt: Lia Grizelj vom Kinderchor singt Charley Chaplins Song berührend, elfenhaft, die Geburtstagstorte der alten Dame tragend, alles wieder auf Anfang.
Was bleibt? Mitreißende Momente und dass Oper auch in anderen Formaten geht und Rave dazwischen großartig sein kann; dass Chor, Orchester, Singende und Tanzende eine grandiose Leistung abgeliefert haben; dass Partyspiele auf die Bühne passen, aber nicht jedes davon dorthin muss. Freilich, dass Feiern Leben ist und das Schwere leichter macht. Konsequent dockt daher Gauthier auch einen dritten Teil an: Die After-Show-Lounge, die nach jeder Vorstellung von „La Fest“ mit Bar und DJ im Opernhaus stattfindet. – Die nahmen am Premierenabend viele Gäste begeistert wahr.