Foto: Die Maklerin (Katharina Schmalenberg, Mitte) im Zentrum von „Eigentum“ © Thomas Aurin
Text:Detlev Baur, am 30. September 2023
Die Welt ist am Ende, we’re fucked – stellt Thomas Köck auch in seinem neuen Stück „Eigentum“ fest. Die Uraufführung von Marie Bues am Schauspiel Köln wird dem ambitionierten Stück gerecht. Für die Zuschauer bedeutet das vereinzelt starke Szenen in einem wenig griffigen Spiel.
Es beginnt mit dem Bericht über eine imperialistische Forschungsreise in den Südpazifik und endet nach der Schlacht um ein zum Verkauf stehendes Haus – mit dem Sieger von Käufer „11“, doch die:der möchte das zuvor brutal umkämpfte Eigentum nun gar nicht mehr. Das Ende verbindet sich außerdem mit chorischen Kommentaren von cyborgbodies; das Kind aus einer „2-3000 Jahren entlegenen Zukunft“ trifft sich mit der abenteuerlustigen Tagebuchschreiberin des 18. Jahrhunderts. Thomas Köck verbindet in seinem am Schauspiel Köln uraufgeführten neuen Stück kolonialistische Vergangenheit, im Immobilienmarkt umkämpfte Gegenwart und dystopische Zukunft jenseits der Erde – um nur die zentralen Motive zu nennen. Die globale Dystopie heißt nicht nur im Untertitel „Let’s face it we’re fucked“, auch verbindet dieser Spruch wie andere Anglizismen das ambitionierte Stück und zieht sich durch die Uraufführung.
Erzähler:innen, Chor und Haussuchende
Birgit Walter eröffnet das knapp zweieinhalbstündige Geschehen mit dem leitmotivischen Satz als Erzählerinnenfigur vor dem roten Vorhang, ihr zur Seite führen zumindest teilweise Melanie Kretschmann (in der Rolle der burschikosen als Seemann verkleideten, Tagebuch schreibenden Frau) und Jörg Ratjen als femininer Textverwalter durch das Spiel. Wenn sich der Vorhang öffnet, zeigt sich eine weiße Wandkonstruktion mit vorgelagerten großen Regaletagen, die später auch Etagen im umstrittenen Haus werden, am Boden rollt sich ein gold-glitzernder fünfköpfiger Chor (Ariel Cohen, Lara Berenike Dabbous, Ruben Fritz, Nina Karsten und Justus Maier; Kostüme: Amit Epstein). Als zentrale Gestalt erscheint bald die von Katharina Schmalenberg sehr präsent dargestellte Maklerin als mephistophelische Antreiberin zum Run auf das so beliebte wie dubiose Haus. Florence Adjiome, Yuri Englert und Alexander Angeletta gehören zu den Bewerber:innen, die auf exklusive Behandlung durch die von Markentaschen umhängte Glitzerfrau stpochen.
Regisseurin Marie Bues bewältigt als mehrfache Uraufführungsregisseurin von Thomas Köcks klimakatastrophischer, wortstarker Dramatik das sehr breite Spektrum dieses textflächig ausgebreiteten Dramas souverän. Sie und Bühnenbildnern Heike Mondschein nutzen geschickt die enorme Bühnenbreite in der Dauerübergangsspielstätte des Schauspiel Köln für breite Tableaus, auch auf einer mobilen Show-Treppe in der Mitte der Bühne. Doch auch die eingestreuten oben eingeblendeten Videosequenzen etwa mit kurzen Spielszenen verhindern nicht, besonders im ersten Teil, leerlaufende Szenen. In der Mischung zahlreicher Figuren, Geschichten und Ebenen kann der Chor nur schwer eine Haltung entwickeln, fehlt es ihm an sprachlicher Präzision und genauem Timing.
Weniger als Mehrwert?
However, um im Ton von „Eigentum“ zu bleiben; nach der Pause gelingen mehr griffige Szenen, wenn Figuren wie das ölgefüllte Cyborgkind (Yuri Englert) verloren seinen Zieheltern gegenübersteht. Oder wenn die kapitalistisch antreibende Maklerin die Mitmenschen gegen ihren Willen verführt und zum rücksichtslosen Kampf um Lebensraum animiert. Sie wecken Lust auf mehr leidende Menschen oder auch auf belebte Maschinen oder lebende Natur in intimeren Szenen. Zum Ende der Uraufführung hin ahnt man im Parkett, wie zeitlich und räumlich verschränkt und über unsere kleine mitteleuropäische Perspektive hinaus Thomas Köck die Verfallsgeschichte der Menschheit begreift und beschreiben möchte.
Der „fiction writer“ Thomas Köck sampelt in „Eigentum“ stürmisch und drängend Katatstrophenszenarien und vernachlässigt dabei – sympathische – Charaktere. Das ist ehrenwert groß gedacht, auch virtuos komponiert, aber für einen Theaterabend auch zu viel des Guten. Von den begrenzt Mitleidenden im Zuschauerraum gibt es dafür enden wollenden Beifall.