In zwölf Bildern lassen Sarah Nemtsov und ihr Librettist Mirko Bonné bei der Uraufführung am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken, das die Oper in Auftrag gegeben hatte, das Schicksal Ophelias lebendig werden. Die „Hamlet“-Heroine ist hier aufgespalten in vier Ophelias, von denen eine (Valda Wilson) am Ende überlebt und mit Hamlets bestem Freund Horatio ein neues Leben beginnt. Die anderen drei (von Bettina Maria Bauer, Pauliina Linnosaari und Judith Braun verkörpert) finden sich im Totenensemble wieder, bestehend aus Hamlets Mutter Gertrude (Liudmila Lokaichuk), dem Grauen König (Alois Neu), Claudius (Hiroshi Matsui), Hofmarschall Polonius (Markus Jaursch), seinem Sohn Laertes (Melissa Zgouridi) und dem Edelmann Rosenstern (Georg A. Bochow) sowie Hamlet (gespielt von den Schauspieler Christian Clauß). Zu den Lebenden gehört noch König Fortingbras (Benjamin Schmidt), König von Norwegen und neuer Herrscher Dänemarks.
Wie prismenartige Splitter eines Kaleidoskops überlagern sich in diesem vielschichtigen Musiktheater eine Vielzahl alternativer Realitäten und Zeitebenen. Sie blitzen immer wieder durch die Rahmenhandlung auf, die nicht psychologisch-linear, sondern assoziativ präsentiert wird. Schemenhafte Gestalten in der Shakespeare-Zeit nachempfundenen Kostümen von Julia Rösler konfrontieren die verschiedenen Verkörperungen von Ophelia mit ihrer Vergangenheit.
Vielfältige Überlagerungen
Parallele Handlungen spielen sich sowohl auf der Ober- als auch auf der Unterbühne ab. Scheinbar reale Konfrontationen Ophelias mit dem Totenensemble werden überlagert von vordergründigen großformatigen Videoprojektionen, unterschiedliche Ereignisstränge wirbeln immer wieder durcheinander. Eva-Maria Höckmayrs Regie gelingt es, diese Bilderflut von Assoziationsketten klar zu strukturieren und in Relation zueinander zu setzen. Einzelne Schlüsselszenen des Hamlet-Dramas sind erkennbar, andere Szenen haben Nemtsov und Bonné neu gestaltet. Die szenische Konstante, die diesen Wirbel verankert, ist das Krankenbett der überlebenden Ophelia IV.
Ebenso vielfältig und komplex ist Sarah Nemtsovs Klangsprache: Stimmungsbilder und Emotionen gehen Hand in Hand mit einer Musik von größter atmosphärischer Dichte, die auch Naturgeräusche integriert. Unterschiedliche stilistische Einflüsse begegnen sich hier, ohne eklektizistisch zu wirken, und formen sich zu einer unverwechselbaren musikalischen Handschrift voll übersprudelnder Energie. Von innerer Bewegung vibrierende Flächen setzt Nemtsov gegeneinander, ein anderes Mal brechen sich wilde Orchesterwogen Bahn oder es zucken grelle Blitze und verfremdete Stilzitate auf. So ist die alte Königin Gertrude zum Beispiel ein zänkischer Koloratursopran, Hamlet ist eine Sprechrolle und Horatio, der neue Mann in Ophelias Leben, kein Tenor, sondern ein Bariton. Lyrische Momente des Innehaltens finden sich dagegen kaum in dieser albtraumhaften Klangwelt, aus der Ophelia sich ins Leben zurückkämpfen muss.
Das Sängerensemble und das Saarländische Staatsorchester mit seinem Dirigenten Stefan Neubert meistern die enormen Schwierigkeiten dieser Partitur sehr souverän. Die Frage bleibt allerdings, ob dieser Kompositionsstil über zweieinhalb Stunden trägt – Längen und Wiederholungen sind unüberhörbar.