In Großbritannien hat die Gasnotlage bereits über die Gefahrenlage triumphiert. Seit September 2022 ist Fracking dort wieder erlaubt. Dagegen kämpft Elizabeth Blackwood in dem 2016 uraufgeführten Stück von Beaton. Schauspielerin Carla Becker verleiht der emeritierten Mittelalterhistorikerin eine gewisse Oma-Trutschigkeit, so dass ihr erkenntnishelles Erwachen umso wirkungsvoller ist. Erlebt sie doch, dass der Bevölkerung ihres Heimatdörfchens von rücksichtslos profitorientierten Kapitalisten, einem skrupellos manipulierenden PR-Manager, gekauften Sachverständigen und korrupten Lokalpolitikern – genau diese Stereotype bedient der Autor – ein Ja zum Fracking abgerungen werden soll. Elisabeth sieht demokratische Prozesse außer Kraft gesetzt und radikalisiert sich von der gesetzestreuen Staatsbürgerin zur Wortführerin des zivilen Ungehorsams.
Verschenktes Potenzial
Während andere Inszenierungen des Stücks detailverliebt ein kalt abweisendes PR-Agentur-Büro und eine gemütliche Elisabeth-Wohnung gestaltet hatten, setzt Ausstatterin Lise Kruse auf Abstraktion. Eine grellweiß oder anheimelnd bunt beleuchtete Leinwand deutet den Spielort an, der einheitlich mit schwarzen, prall gefüllten Säcken übersät ist. Ein nicht trittsicherer Grund des wilden Diskursgeländes oder ein apokalyptisches Szenario. Dafür spricht ein fett plakatives Bild, in dem Elisabeth allein auf der Bühne hockt und von Asche beregnet wird. Zudem dräuen aus den Lautsprechern unheilvolle Sounds, fracken das Geschehen und setzen Endzeitstimmung frei.
Die Ping-Pong-Dialoge aber sind Comedy-flott inszeniert, auch wenn viele Gags nicht zünden und die Pause der Dynamik des Stücks die Wirkung nimmt. Elisabeth ist das kämpferische Herz des Abends, der mit smarter Eloquenz und zügelloser Energie prunkende Reputationsmanager Joe (Jan Arne Looss) sein überdrehender Motor. Immer wieder aber verzerrt sich Joes offensives Lächeln zu feistem Grienen, denn hinter der Fassade verbirgt sich Verachtung für jedermann. Die anderen Darsteller – Jürgen Kaczmarek, Jonas Matthes, Dirk Böther und Verena Saake – füllen die mau ausgearbeiteten Sidekicks der Protagonisten mit Leben: Elisabeths gärtnernden Biedergatten und eine freakige Berufsdemonstrantin mit Dark-Wave-New-Age-Veganer-Freund auf der Seite der Guten, der bollerige Unternehmer, seine machtzickige Tochter und ein bestechliches Bauausschussmitglied auf der bösen Seite.
Die Celler Stückfassung taugt prima, infotainend das Fracking und die Probleme dabei zu erklären. Die Pro-und-Contra-Debatte aber funktioniert nicht ideal, weil die seriösen Pro-Argumente der Wirtschaft und Wissenschaft zwar vorkommen, aber eben von den Unsympathen artikuliert werden. Zudem unterlässt es die Regie zur Anbindung an Stadt und Region, das Thema des Stücks auf die ökonomisch-ökologisch besonders zwiespältige Situation in Celle zu beziehen. Auch nutzt Pia Richter „Fracking for future!“ nicht als Empowerment-Stück für den gesellschaftlichen Widerstand. In Celle läuft die Inszenierung in der finalen Talk-Show-Situation mit Joe und Elisabeth eher auf die individuelle Verantwortlichkeit zu, etwas gegen Klimawandel zu tun. Denn, so der letzte Satz, „wollen wir wirklich, dass die Menschheit an ihrer Bequemlichkeit zugrunde geht?“ Das sorgt für klare Verhältnisse aber nicht für Ovationen. Auch Gesinnungsapplaus für das eine oder andere Statement hat die Aufführung nicht einmal unterbrochen. Umso wichtiger, dass der Stoff gerade in Celle als Anregung zur weiteren Auseinandersetzung auf die Bühne gekommen ist.