Die Story entstammt Mel Brooks Spielfilm „Frühling für Hitler“ (1968), einer Farce auf die NS-Zeit, die bei den Kritikern zunächst durchfiel. Erst als Brooks Jahre später ein Musical aus dem Stoff formte, adelten es 12 Tony Awards zum Jahrhunderterfolg. Der Plot ist so knapp wie skurril:
Broadway-Produzent Max Bialystock steht kurz vor dem Bankrott und heckt deshalb mit seinem Buchhalter Leo Bloom einen dubiosen Plan aus: absichtlich einen Flop produzieren, um sich hinterher mit den Investorengeldern nach Rio abzusetzen. Bald ist das vermeintlich schlechteste Skript aller Zeiten gefunden: „Frühling für Hitler“ des Altnazis Franz Liebkind soll mit miesen Darstellern und unbegabtem Regisseur produziert werden. Blöderweise gerät es zum Riesenerfolg – die gefälschten Bilanzen fliegen auf und Bialystock wandert ins Gefängnis, während sich Leo Bloom mit zwei Millionen und der schwedischen Schönheit Ulla aus dem Staub macht.
Hochkarätige Show, punktgenaues Timing
Thomas Weber-Schallauer setzt in seiner Inszenierung ganz auf die Ausdruckskraft der Darsteller:innen. Die Show lebt von tänzerischen Elementen (Choreografie: Riccardo De Nigris), kaum eine Szene, die nicht mit Gesten oder Tanzschritten punktgenau beglaubigt wird.
Vor einer lichterfunkelnden New-York-Skyline (Video und Licht: Hans-Joachim Köster) zeigt uns die Drehbühne abwechselnd das Büro des Produzentenduos, die Fassade des Shubert Theatres in New York, wo Blooms Stücke gespielt werden, oder die glitzernde Wohnung des schwulen Regisseurs-Paares Carmen Ghia (göttlich, hauteng in Schwarz und mit Nickelbrille: Matthias Knaab) und Roger De Bris (köstlich sein „Mach es gay!“ in Silberkleid, später dann als Hitler-Darsteller: Florian Soyka).
Ein achtköpfiges Ensemble aus Musical-Gästen, dazu Chor (Einstudierung: Wolfgang Müller-Salow) und Ballett ergänzen die Solisten, allen voran den fabelhaften Ansgar Schäfer als Produzenten Max Bialystock, der mit ungeheurem Körpereinsatz seinen Wandel vom skrupellosen Geschäftsmann zum betrogenen Freund gibt. „Verrat“ dröhnt sein stimmgewaltiges Knast-Solo im Finale als ein Höhepunkt des Abends. Ihm zur Seite steht Alexander von Hugo als schüchtern-neurotischer Buchhalter Leo Bloom, dessen Traum vom Produzenten-Erfolg ihn von den deckenhohen Aktenregalen seiner Steuerkanzlei fliehen lässt. Mit seiner Stepptanzeinlage zum Hit des Stückes – „Ich wär so gern ein Producer“ – katapultieren er und sechs Showgirls in Strass-Bikinis das kleine Theater Hagen für Augenblicke an den Broadway – und das Publikum liegt ihnen zu Füßen.
Mit Lederhosen und Stahlhelm gibt Ensemblemitglied Richard van Gemert den taubenzüchtenden Altnazi Franz Liebkind derart der Lächerlichkeit Preis, das einem das Lachen nur kurz im Halse stecken bleibt. Große Musicalsensation des Abends ist Emma Kate Nelson als liebenswert-naives Blondchen Ulla. Nelsons Musicalkarriere begann schon mit zarten 12 Jahren in London, was nicht zu verkennen ist: perfekte Stimm-Modulation zwischen Songs und Sprechen, Tanzeinlagen im Marilyn Monroe-Look und ein adretter Wimpernaufschlag, der bis in den letzten Rang hinauffliegt – göttlich. Auch die knalligen, doch nie geschmacklosen Kostüme von Yvonne Forster sind eine Augenweide.
Steffen Müller-Gabriel führt das Philharmonische Orchester Hagen stilsicher und dynamisch angemessen durch den Abend, der zum Happy End findet: Selbst im Knast kann Max Bialystock das Produzieren nicht lassen, sein Musical „Knackis mit Herz“ führt letztlich zur Begnadigung und dem lang ersehnten, realen Broadway-Erfolg. Wenn es doch im Leben auch so einfach wäre…