Zum 80. Geburtstag der Schauspielerin Barbara Nüsse
Foto: Barbara Nüsse als Pippi Langstrumpf © Armin Smailovic Text:Michael Laages, am 17. Februar 2023
Nur am Geburtstag selber hat sie frei, hat nichts zu proben und abends auch keine Vorstellung – ansonsten kann sich die Schauspielerin Barbara Nüsse nicht erinnern, jemals so viel gearbeitet zu haben wie ausgerechnet jetzt, am 80. Geburtstag. Sieben Produktionen im laufenden Spielplan des Hamburger Thalia Theaters kommen ohne sie nicht aus, die all ihre Figuren mit so großer Empathie spielt, ob Kind, Mann oder Alte: eine Gestaltwandlerin, wie es kaum andere gibt. Herausfordernde und anstrengende Premieren standen vor kurzem an, etwa das Stephen-Hawking-Stück von Robert Wilson („H – 100 seconds to midnight“) oder zum Start der Lessingtage „Die Besessenen“ von Camus nach Dostojewskis „Dämonen“. Aber auch Wiederaufnahmen wurden geprobt, für herausragende Produktion wie „Das achte Leben (für Brilka)“, den ewigen Klassiker „Hamlet“ oder die ulkigste „Pippi Langstrumpf“ seit Langem (siehe hier unsere Onlinekritik), alle drei inszeniert von Jette Steckel. Wenn sie Samstag zum Ehrenmitglied ernannt am Thalia Theater, hat die 80-jährige Barbara Nüsse zuvor gerade das ewige Kind gespielt.
Das ist gut disponiert. Denn tatsächlich hat sich Barbara Nüsse so etwas wie den wachen, frischen Kinderblick bewahrt: auf die Welt, das Theater wie das eigene Leben. Aus Essen stammt sie, und der Vater war Bergwerks-Ingenieur; noch heute gibt’s die Firma Nüsse & Gräfer im Bergbau-Städtchen Sprockhövel. An der Otto-Falkenberg-Schule in München studiert die Tochter dann, der Weg danach führt zunächst nach Bern, dann zurück nach München ans Staatsschauspiel. Sie gehört zum politisch extrem aufmüpfigen Kölner Ensemble der frühen 70er Jahre (ihr Schauspielkollege Rolf Mautz erzählt auch gern von ihr und dieser Zeit in den Erinnerungen!), zieht weiter nach Stuttgart, Bochum und vor vier Jahrzehnten erstmals nach Hamburg und dort ans Schauspielhaus. Hier entsteht der legendäre „Penelope“-Monolog, das letzte Molly-Bloom-Kapitel aus dem „Ulysses“ von James Joyce, inszeniert von Ulrich Waller zur Eröffnung der Kampnagelfabrik. Am Tag vor dem 80. hat sie Teile der „Penelope“ noch einmal gespielt: im kleinen St. Pauli Theater.
Nach der ersten Hamburg-Zeit blieb Barbara Nüsse gut zehn Jahre sehr unstet unterwegs, dann kam sie wieder zurück und ist nun mit Intendant Joachim Lux im Thalia heimisch geworden. Dort ist sie mit eine der energischsten Stützen im Ensemble und vermittelt den Eindruck, als könne das gut und gern noch eine Weile so weiter gehen. Zu tun gibt’s genug – im Leben wie im Theater.