Der Festsaal der Berliner Sophiensaele ist mit einem Bühnenbild aus transparenten weißen Vorhängen zur einer Art Garderobe geworden (Bühne: Camille Lacadee), die in unterschiedliche Räume verwandelt werden kann. Die in einem hautfarbenen Turnkleid und High Heels mit Rüschenrock gekleidete Madame und ihre in weißen Leibchen und Rüschen gekleideten Zofen – wird hier etwa nicht auf Genet angespielt? – empfangen ihr überwiegend queeres Publikum mit minimalistischem Tanz. Die drei repetieren minutenlang eine einfache Schrittfolge. Zeit zum Zuschauen. Schmale Schultern, grazile Bewegungen.
Während Olympia in einem Cello-Vestibül ein Menuett anstimmt, spiegeln ihre beiden Mitstreiter einander, persiflieren einen Gesellschaftstanz aus dem 19. Jahrhundert bis sich ein Technosound über das Cellospiel legt und der Abend sich zusehends auf das Phänomen Diva zubewegt. Olympia Bukkakis, als Mann in Australien geboren und seit einigen Jahren als Frau und Performerin in Berlin lebend, bringt souverän und unaufgeregt zusammen, was in unseren Sehgewohnheiten oft nicht zusammengehört. Konventionen sind die inhaltliche Klammer, die alle Szenen zusammenhalten.
Bewegungsmuster beim Gesellschaftstanz, auf dem Catwalk, säuberlich nach Geschlechtern unterteilt. Das Dreigestirn auf der Bühne schlüpft in unterschiedliche habituelle Korsetts, und sprengt sie wieder. Bukkakis stimmt Pop-Songs und elegische Töne auf dem Cello an. Dazu hat der Soundartist MINQ ein Soundkonzept als akustischen Rahmen für die Performance geschaffen.
Welche Identitäten wollen wir?
„replay“ ist Kunst gewordene Antwort auf Judith Butlers „Gender Trouble“ (dt. „Das Unbehagen der Geschlechter“). Der Klassiker der Feministischen Theorie hat vor über dreißig Jahren dargelegt, wie geschlechtliche Identität sozial geformt ist: Die Rolle Mann oder Frau wird den Individuen vom großen Regisseur der patriarchalen Gesellschaft aufgedrückt. Wir spielen sie – innerhalb eines gewissen Typenspektrums – immer weiter, denn das Spiel verleiht Identität. Allerdings finden sich in seinem Regelwerk längst nicht alle Individuen wieder. Die Möglichkeiten, sie zu verändern und sich davon zu emanzipieren, sah Butler in der subversiven Variation. Dafür wiederum ist die Drag-Kultur prädestiniert, die die vorgefundenen Rollen immer schon vergrößert und stilisiert hat. Die immer schon lustvoll und schmerzlich mit der Lücke kämpft, die zwischen Sein und Rolle oft liegt.
In einer Sequenz voller Spielfreude mutieren einzelne gesungene Töne in Tierlaute, werden Wildkatzen nachgespielt. Olympia Bukkakis gibt einen Pfau. Die anderen unterstützen mit passenden Lauten das jeweilige Solo. Die Bilder schillern, werden laufend verworfen, überschrieben von immer neuen Assoziationen: ein umwerfendes Ensemblespiel. Olympia Bukkakis und ihre beiden genialen Co-Performer:innen The Dervish und Am Ertl loten mit beeindruckendem Bewegungsrepertoire den Spaß an der Verwandlung aus. Als die Diva zu einem Pop-Song von Britney Spears die Choreografie eines Musikvideos nachmacht, kocht der Saal. Es folgt die Ehrung einer langen Reihe an Drag Queens und Diven der Weltgeschichte von Whitney Houston bis Lady Di. Und dann das unvermeidliche Sterben in einer vieldeutigen Arienparodie. Grandios. Es lebe das dazwischen, weil es uns Luft zum Atmen gibt.