Die Bühne als Klettergerüst und Assoziationsraum
Auch für die raffinierte Bühnenkonstruktion und die – griechischen Gewändern nachempfundenen – Kostüme trägt Giuseppe Spota die künstlerische Verantwortung. Gekippt aufgefächerte Leitern sind wie ein Klettergerüst auf der Drehbühne postiert, hinabrutschen kann man auf deren glatter Rückseite, darunter sind Neonröhren befestigt; rot oder grellweiß leuchtend durchbrechen sie im fortschreitenden Abend die düstere Grundstimmung und knallen uns optisch ebenso brutal ins Auge, wie es die an Gewehrsalven erinnernden Trommelschläge akustisch tun.
In diesem zeitlosen Setting verkörpern die Tänzerinnen und Tänzer alles zugleich: Getriebene und Kämpfer, Mensch und Tier, Kollektiv und Verlorene. Immer wieder entstehen Assoziationen zum Mythos, etwa wenn rücklings krabbelnde Tänzer wie Krebse am Strand sich formieren, die Anbetung von Einzelnen an Heldentum denken lässt, oder alle sich in Bühnenbreite aufreihen, erst kraftvoll springend synchron „Odysseus“ schreien, bis jeder einzelne versucht, sich solistisch zu profilieren. Doch wie Marionetten fallen sie bald kraftlos in sich zusammen und scheitern am Einzelkämpfertum.
Überhaupt spielt Schwerkraft im Bewegungskosmos des Duos Spota/Landerer eine zentrale Rolle: fließend fortgeschleuderte Gliedmaßen, zu Boden gekrümmte Körper, das an Sisyphos erinnernde Beklettern der Leitern und hilflose wieder Hinabgleiten – alles zeugt von vergeblicher Anstrengung und letztlich Zermürbung.
Im Schlussbild fährt das Orchester mit Askan Geisler am Pult symbolschwer aus dem Graben empor, aller Sirenengesang und Kriegsrhythmus verstummt. Wenn der Mensch sich zerstört hat, bleibt nur Klang? Das aufspringende Publikum jubiliert.