Aus der Repräsentation befreit
Die Gießener plädieren überzeugend für das Werk. Regisseurin Anna Drescher begleitet die beiden Männer dabei, wenn sie sich Schritt um Schritt ihres Machismo entledigen. Das weibliche Objekt der Begierde bewegt die Männer durch Seelenstärke zunehmend zur Anerkennung als selbstbestimmtes Subjekt. Die ihr bewiesene männliche Solidarität eröffnet der Titelfigur den Weg, ins souveräne Herrscherinnenamt hineinzuwachsen. Ausstatterin Tatjana Ivschina zwängt die Ereignisse auf Zypern in eine oblonge, kühl ausgeleuchtete Vitrine, in der Titelfigur, König und Ritter konventionelle Erwartungen erfüllen sollen. Die sie freilich überwinden und weit hinter sich lassen. Ivschinas Kostüme für die Bewohner der Mittelmeerinsel historisieren maßvoll. Einzig Caterinas Staatsrobe prunkt mit opulenter Renaissance. Zunächst zwängt die höfische Gewandung ihre Trägerin ein, doch schließlich beglaubigt er die souveräne Herrscherin.
Auch musikalisch gewinnt die Produktion: Jan Hoffmann entlockt dem Chor und Extrachor des Hauses dramatische Verve und Durchschlagskraft. Vom Pult aus befeuert Vladimir Yaskorski das Philharmonische Orchester Gießen dazu, das Bühnengeschehen unter beständige Hochspannung zu setzen. Julia Araújo verleiht der Titelpartie in stupendem Zusammenklang reiche Valeurs, Strahlkraft und Attacke. Den tenoralen Anforderungen an Gerardo hält Younggi Moses Do tapfer stand. Für Lusignano bietet Grga Peroš seinen ebenso eleganten wie durchsetzungsfähigen Bariton auf. Die limitierten Möglichkeiten der kaum über die Katalysatorfunktion hinausgehenden Partie des venezianischen Intriganten Mocenigo nutzt Clarke Ruth optimal.
Kein Zweifel, das Stadttheater Gießen belebt mit „Catarina Cornaro“ ein intensives Stück Musiktheater wieder.