Foto: Miquel Martínez Pedro (Krabat, links), Damián Torío (Der Meister) und das Ensemble Ballett am Rhein © Ingo Schäfer
Text:Ulrike Kolter, am 14. November 2022
Es war ein großer Publikumserfolg: Demis Volpis Stuttgarter „Krabat“-Ballett nach dem gleichnamigen Jugendbuch von Ottfried Preußler, das er im März 2013 fürs Stuttgarter Ballett kreiert hatte.
Auch nach der Neueinstudierung für das Ballett am Rhein knapp 10 Jahre später liegt ihm das Publikum zu Füßen, bejubelt einen Abend voller Magie, Opulenz und charismatischer Figuren. Und das nicht nur wegen der üppigen Ausstattung von Bühnen- und Kostümbildnerin Katharina Schlipf – hunderter imposant in den Bühnenhimmel gestapelter Mehlsäcke und Kostümen, die wahrlich eine Augenweide sind. Vor allem gelingt Volpi, den sich über drei Jahre hinziehenden „Krabat“-Plot dramaturgisch auf kurzweilige drei Stunden zu straffen: temporeich, humorvoll und leicht verständlich.
Schwarze Magie und furchtlose Liebe
Verhandelt wird die Geschichte des Waisenjungen Krabat, der als Mühlenknappe bei einem Meister der schwarzen Magie in die Lehre geht und dort miterleben muss, wie unter mysteriösen Umständen jährlich ein Geselle zu Tode kommt – um des Meisters Zauberkraft zu erhalten. Nur die furchtlose Liebe eines Mädchens kann den Bann brechen; sie findet Krabat schließlich in Person des Bauernmädchens Kantorka, deren Singstimme Krabat betört. Überhaupt bilden Gesang und die Klangwelten von Pēteris Vasks, Philip Glass und Krzysztof Penderecki das Fundament des Abends (musikalische Leitung: Katharina Müllner), eigens für „Krabat“ wurde 2012 die sogenannte „Mühlenmusik“ aufgenommen: das monotone Hämmern und Rattern in einer Mühle, das stets erklingt, wenn die zwölf Gesellen schuften müssen.
Wie schon in Stuttgart sind die dunklen Welten in der Mühle eher tanztheatralisch gestaltet, Mehlsäcke werden herumgeschleppt, geworfen und rhythmisch übersprungen. Konträr dazu tanzen die Bauernmädchen klassisch auf Spitze – mit einer beinahe schwebenden Emilia Peredo Aguirre als Kantorka vornweg. Damián Torío als Meister muss sich mit furchteinflößendem Abschreiten der Bühne begnügen, doch wie er die Mühlenknappen mit Zauberkraft über die Bühne dirigiert, sie in Raben verwandelt oder mit einem einzigen kraftvollen Handschlag Verträge beschließt, lässt erschaudern.
Ein junger Ausnahmetänzer
Dafür kann sich Miquel Martínez Pedro als Krabat tänzerisch umso mehr austoben; mit ihm verfügt das Ballett am Rhein über einen emotionalen, sprunggewaltigen Ausnahmedarsteller, der in seinem ersten professionellen Engagement als Tänzer bereits für den diesjährigen FAUST-Theaterpreis nominiert ist. Daniele Bonelli bezaubert als Krabats Freund Tonda und Charlotte Kragh sorgt als Zauberer Pumphutt im Zweikampf mit dem Meister für einen der Höhepunkte des Abends: mit humoristischen Kampfessprüngen und unbemerkten Kostümwechseln im Blitztempo. Nicht zuletzt ist Lara Delfino als Gevatter in rotglitzerndem Abendkostüm eine schauerliche Teufelsgestalt, dessen überdimensionale Fingernägel sich so lange auf die eigene Schulter tippen, bis der nächste Mühlenbursche tot geopfert wird…
Dass das Publikum auch zur zweiten Vorstellung derart aus dem Häuschen war, spricht für sich. Bis Januar sind zahlreiche Vorstellung in Düsseldorf angesetzt. Wer darüber sinnieren mag, welche Verführung Macht über andere sein kann, der gönne sich diesen Abend. Wer die Welt einfach mal drei Stunden vergessen möchte, der auch.