Der italienische Komponist mit jüdischem Familienhintergrund wurde 1860 in Turin in so privilegierte Lebensumstände hineingeboren, wie sie väterlicher Großgrundbesitz und mütterliche Abstammung aus der Rothschild-Dynastie so mit sich bringen. Dazu kam ein Talent, dem selbst Giuseppe Verdi Respekt zollte. Nobel wie der war, empfahl er den jungen Kollegen sogar für einen prominenten Kompositionsauftrag zur 400 Jahrfeier der Entdeckung Amerikas. Die Uraufführung seiner ersten Oper „Asrael“ im Jahre 1888 hatte zwar sein Vater ermöglicht, der Erfolg gab dem Verehrer Wagners, der sich damit in einer Riege von jüngeren Komponisten wie Giacomo Puccini, Ruggero Leoncavallo oder Pietro Mascagni etablierte, gleichwohl recht.
Logiklöcher und musikalischer Reiz
Offensichtlich war den Zeitgenossen ein stringentes (oder wenigstens durchschaubares) Libretto mit nachvollziehbarer Geschichte für ebensolche Charaktere nicht so wichtig, sondern mehr der pure musikalische und vokale Genuss. Das kann man in der Bonner Produktion nicht nur wegen des aus der Postierung im Zuschauerraum einen Raumklang imaginierenden, erweiterten und von Marco Medved einstudierten Chores und dank des erstklassigen Protagonisten Quintetts sehr gut nachvollziehen. Tenor Peter Auty hat die konzentrierte, dabei wohlklingende Kraft für den zwischen die Fronten geratenen Asrael. Khatuna Mikaberidze als Loretta und Tamara Gura als Lidoria sind die beiden Frauen zwischen deren Zuneigung er gerät. Die mit Innigkeit glänzende Svetlana Kasyan ist aber seine eigentlich Liebe Nefta. Während Pavel Kudinov zwischen den Rollen des Vaters, Lucifers und eines Königs wechselt und damit wie nebenbei das sozusagen per se toxisch Männliche, Patriarchalische auf den Punkt bringt.
Aber so einfach ist es nicht. Was der Librettist Ferdinando Fontana für den jungen Franchetti zusammengedichtet hat, ist schon ziemlich verquer: Zwei Engel, die sich irgendwie lieben. Obwohl ja diese Wesen nach landläufiger Vorstellung die Exempel für ein Drittes – neben männlich und weiblich – sind. Hier lieben sich eben Engel (m?) Asrael und Engel (w?) Nefta. Asrael war zwischen die Fronten und in die Hölle geraten, kann aber deren Chef einen einjährigen Dispens abhandeln, um nach Nefta zu suchen. Am Ende trifft er sie und wird obendrein gerettet. Was mit einer musikalischen Überdosis von Erlösungs- und Happyend-Apotheose gefeiert wird. Die Ungereimtheiten der konkreten Handlung bleiben ein Problem, das nicht wirklich zu lösen ist. Aldens Versuch aber ist aller Ehren wert: Der Regisseur übersetzt das Überirdische des Sujets ins Familiärpsychologische. Was wir zu hören bekommen und was uns an Klangmassen und krönendem Blech umspült und auf Überwältigung aus ist, steht in produktivem Widerspruch zu der Andeutung eines großbürgerlichen Ambientes der Entstehungszeit. Das Personal wird als vom Vater tyrannisierte Familie eingeführt. Bei der sich die musische Mutter umbringt und die drei Töchter und der Bruder auf verschiedene Weise mit der Übergriffigkeit des Vaters umgehen müssen. Wenn sich die Prospekte des Salons anheben, wechselt der Schauplatz in den Keller (die Hölle des ersten Weltkrieges), senkt sich die wuchtige Holzkonstruktion dann sozusagen ins Dachgeschoss, sprich den Himmel. Dieser Wechsel zwischen musikalisch mit Nachdruck beglaubigter Jenseitigkeit und realer Welt kann wohl nur so eingeschränkt funktionieren.
Aber in der Oper muss man weder immer alles ins rational zu begreifende Hier und Heute übersetzen, noch muss man als Publikum immer alles bis ins Letzte verstehen. Manchmal ist schon das Abtauchen in den musikalischen Reiz des Unbekannten den Besuch einer Aufführung wert. So wie im Fall dieser heftig gefeierten Ausgrabung.