Ausstellung: „Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“
Foto: Der Bühnensaal der Oper von Venedig (La Fenice) 2020 © picture alliance/dpa/Annette Reuther Text:Andreas Falentin, am 30. September 2022
Oper ist opulent, Oper ist sinnlich, Oper ist schön. Oper ist was Großes. Das erzählt die Ausstellung „Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“ in der Bonner Bundeskunsthalle, immer wieder und mit großer Wirkungsmacht. Man setzt sozusagen auf strukturierte Reizüberflutung. Es gibt zwar eindeutig einen Eingangsraum. Was es jedoch nicht gibt, ist ein Rundgang. Den muss man sich selber suchen. Wegweiser wie „Parkett“ oder „Backstage“ helfen da nur bedingt. Zumal man schon immer wieder an Eindrücken oder Exponaten hängen bleibt. An der großen Videowand etwa, auf der sich immer wieder der Vorhang öffnet und den Blick auf andere – Zuschauerräume freigibt.
Biegt man am Eingang links ab, gelangt man zum historischen Beginn, der Kunstgattung Oper, zu den Florentiner Intermedien. Von da aus werden die Anfänge der italienischen Oper in den Blick genommen. Es folgen das London der Händel-Zeit, die pompöse Pariser Oper im 19. Jahrhundert, die Scala di Milano mit der Donizetti und Bellini, Rossini und Verdi und der Dominanz des Ricordi-Verlags, einem Haupt-Leihgeber der Ausstellung. Schließlich die MET in New York, die Bayreuther Festspiele und die Wiener Staatsoper. Spielfilme, in denen Opern eine Rolle spielen, laden auf Bildschirmen zum Verweilen ein wie Hörbeispiele, die man über die im Eintrittspreis inbegriffenen Kopfhörer abrufen kann. Wobei es durchaus Kuriositäten gibt. So wird Leo Slezaks „Lohengrin“-Kostüm mit Klaus Florian Voigts Stimme illustriert. Wer kann, wer will sich diesen Tenor in diesem Gewand vorstellen?
Große Oper im 18. Jahrhundert
Mick Vincenz, 2022 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
„Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“ ist keine Chronologie, keine Historie eines Kunstgenres und will das auch nicht sein. Man schwelgt in Kostbarkeiten und erzählt nicht nur Kunst- und Kultur-, sondern auch Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Was Mut zur Lücke verlangt: So fehlt Claudio Monteverdi fast komplett, genauso wie die französische Oper ab Ludwig XIV. oder die russische Oper. Die größte Leerstelle der Ausstellung findet sich nach dem Ableben von Richard Strauss: Die musikalische Moderne, alles, was nach der Romantik kam, kommt in der Ausstellung genauso wenig vor wie der oft mit „Regietheater“ umschriebene theatrale Zugang zur Oper in den letzten 50 Jahren. Darauf angesprochen erklärt Kurator Alexander Meier-Dörzenbach, dass der Paradigmenwechsel hier zu gewaltig sei und die neuen Diskurse im Prinzip eine eigene Ausstellung erforderlich machen würden. Vielleicht wird sie ihm gewährt. Wichtig wäre es!
Wobei die Gegenwart in der Ausstellung durchaus vorkommt. Ein knapp halbstündiger Film widmet sich der deutschen Opernlandschaft in Form von fünf Theaterporträts und etliche Menschen, von Statist bis Tubist, von Souffleurin bis Operndirektorin, wurden nach ihrer Ansicht über die Zukunft der Oper befragt. Die Antworten sind so interessant, dass man sich wünscht, die Interviews würden nach Ende der Ausstellung ausgewertet oder sonst in irgendeiner Form zur Verfügung stehen.
Dennoch bleibt „Die Oper ist tot – es lebe die Oper!“ in erster Linie eine gewaltige Materialsammlung voller erlesener Kostbarkeiten, deren Kompilation durchaus Einblicke gewährt in den Betrieb, die Geschichte und die Wirkungskraft des komplexen Kunstgenres Oper. Abschließend drei Beispiele: Fünf Meter lang war die Schleppe vom „Turandot“-Kostüm, das Birgit Nilsson 1961 in der Wiener Staatsoper trug. Die Bundeskunsthalle hat eine fast sieben Meter lange Vitrine gebaut, um das Kleid in ganzer Pracht auszustellen. Dazu sind Figurinenzeichnungen aus dem Hause Ricordi kombiniert, die zeigen, wie festgelegt und konventionalisiert diese Rolle optisch war. Der Kopfputz scheint immer ähnlich gewesen zu sein, nur die Farben und der Opulenzgrad unterscheiden sich. Und natürlich ist die „Turandot“-Krone aus Chicago live anwesend, die Maria Callas auf dem berühmten EMI-Plattencover trug, aber nie in einer Vorstellung. Denn diese Rolle hat sie auf der Bühne nicht gesungen.
Birgit Nilssons „Turandot“-Kostüm, Wien 1961, im Hintergrund rechts Leo Slezaks legendäres „Lohengrin“-Gewand
Mick Vincenz, 2022 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Genauso wenig wie die „Tosca“ an der Wiener Staatsoper in der bis heute gespielten Inszenierung von Margarete Wallmann von 1958. Renata Tebaldi hob sie aus der Taufe, bis heute folgten ihr in der Titelrolle exakt 100 Diven in über 600 Vorstellungen, am häufigsten Leonie Rysanek (47 Vorstellungen), gefolgt von Gwyneth Jones (40), Eliane Coelho (36) und Sena Jurinac (34). Toscas Wiener Originalkleid ist in Bonn neben der alphabetischen Liste der Titeldarstellerinnen zu sehen. Collier und Diadem durften und dürfen die Damen übrigens auf Wunsch von zuhause mitbringen.
„Der Kampf der Riesen“, Hans Makart, 1883
Latvian National Museum of Art, Foto: Roberts Kaniņš
Den vielleicht größten Kunstgenuss bietet – tatsächlich – wieder einmal Wagner. Seine Opern haben mittelbar extrem viel attraktive Jugendstilkunst hervorgebracht. Die Ausstellung macht das deutlich durch Gegenüberstellung der aus Riga geliehenen „Ring“-Gemälde von Hans Makart mit eleganten Pastell-Gemälden von Henri Fantin-Latour und Visionen des hierzulande nahezu unbekannten Rogelio de Egusquiza, die vor lauter Leidenschaft fast vor den Augen verschwimmen.
„Parsifal“, Rogelio de Egusquiza, 1903
Mick Vincenz, 2022 © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH
Die Ausstellung „Die Oper ist tot – lang lebe die Oper!” ist von 30. September 2022 bis 5. Februar 2023 in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen. Der Eintritt kostet 13 Euro (ermäßigt 6,50 €uro), der Katalog ist für 39 Euro HIER oder vor Ort im Museumsshop erhältlich.