Bongile Mantsai hingegen spielt einen würdevollen Chef, sein Verhältnis zur Frischvermählten Desdemona (Pauline Kästner) wirkt recht sachlich. Sein Innerstes nach Außen kehrt er in neu aufgenommenen Monologen, in Gebeten, in denen Gottes Hilfe und seine kulturellen Wurzeln beschworen werden. Mantsai, der in dieser Spielzeit Artist in Residence am Düsseldorfer Schauspielhaus ist, spricht wenig Deutsch, vor allem Englisch, das nichts von hohem Shakespeare-Ton hat, aber auch isiXhosa, eine von 11 Amtssprachen Südafrikas. Auch wenn die abgesehen von Jago letztlich blass bleibenden europäischen Militärs Othello teils auch auf englisch sprachlich treffen, Desdemona Othellos Muttersprache versteht, ja Jago am Höhepunkt der Eifersucht seines Opfers um eine Lehrstunde in der Fremdsprache bittet, betont die Inszenierung durch den Sprachgebrauch vor allem die Isolation des Titelhelden. Die Schwäche Othellos im Ränkespiel zwischen Militärführung und privaten Verletzlichkeiten liegt in seiner Menschenfreundlichkeit, seinem unerschütterlichen Glauben an die Liebe und Aufrichtigkeit Jagos, der ihm immer neue Verdachtsmomente gegen Desdemona einflüstert.
Beginn einer Neudichtung
Eigentlich wünscht man sich, mehr zu erfahren über die Zerrissenheit Othellos zwischen den Kulturen; ein Musikinstrument, das ihm von besiegten Einwohnern übermittelt wird, deutet bei Mantsais Othello ein erstes Hadern mit seiner Rolle an. Insgesamt verlässt sich die Inszenierung bei allen Eingriffen in die Rahmenhandlung aber nach wie vor stark auf Shakespeares großartige, aber auch etwas breit aufgezogene Szenenfolge. Figuren neben Jago und Othello – auch die an sich sehr präsente Pauline Kästner als Desdemona oder der überzeugend-unglückliche Cassio (Jonas Friedrich Leonhardi) – bleiben da trotz soliden Ensemblespiels eher blass. Die Bühne (Gerhard Marx) bietet wunderbare Bilder, etwa von wie Sterne schwebenden Steinbrocken, hat häufig aber auch im Drehbühnenmodus schlicht die Handlung zu illustrieren.
Schließlich sehen sich Inszenierung bzw. Titelfigur gezwungen, aus Jagos Todesspiel auszusteigen. Mantsai verlässt die Bühne ins Parkett, rebelliert gegen den ihm zugewiesenen Text. Und ist doch nicht so weit, ein ganz anderes Spiel zu beginnen, Jago kann ihn zurück in die Rolle bringen; der Weiße erwürgt schließlich Desdemona, während Othello von Fieberträumen heimgesucht wird. Der Titelheld nimmt verunsichert die Schuld an ihrem Tod auf sich, außer Jago weiß es niemand besser.
Die Inszenierung ist für ein Shakespeare-gewohntes Publikum eine Anregung, die Rollenzuschreibungen des „Mohren von Venedig“ zu überdenken und sich mit der Rolle Deutschlands bei der Kolonialisierung Afrikas zu beschäftigen. Eine künstlerisch radikale Inszenierung ist dabei nicht gelungen, aber allemal ein sehenswerter „Othello“.