Szene aus "Lorbeer"

Die Sehnsucht nach Verwandlung

Enis Maci: Lorbeer

Theater:Schauspiel Stuttgart, Premiere:07.05.2022 (UA)Regie:Franz-Xaver Mayr

Metamorphosen stehen im Zentrum von „Lorbeer“, dem neuen Stück von Enis Maci. Beispielsweise wird die Geschichte von Daphne erzählt, wie Ovid sie aufgeschrieben hat, die sich auf der Flucht vor dem in sie verliebten Phoebe in einen Lorbeerbaum verwandelt. Andere Geschichten spielen hinein wie „Der Garten Eden“ von Hemingway, wo auch Verwandlungen in Form von Liebesbeziehungen von Bedeutung sind. Im Programmheft der Stuttgarter Uraufführung ist zu lesen, dass dieser Text Ausgangspunkt für Maci war. Wo Metamorphosen aus vollzogenen oder abgelehnten Liebeshandlungen sich entfalten, da ist die Mythologie oder das Märchen nicht weit. Auch Maci erzählt von der Prinzessin mit den eisernen Schuhen, einer eisernen Tasche und ein paar eisernen Münzen, die sich auf die Reise macht und nach allerlei Verwandlungen ihren Tierbräutigam heiraten kann. Um am Ende im Gestus radikaler Wandlung Anarchie zu verkünden

Franz-Xaver Mayer setzt in seiner Inszenierung am Stuttgarter Kammertheater dieses Märchen an den Anfang, um gleich nach 14 Minuten eine Pause zu machen. Vor einer in rot-pink angestrahlten Leinwand (Bühnenbild: Korbinian Schmidt) ziehen Timo Hillebrand und Elias Krischke fahnenschwenkend vorbei. Teresa Annina Korfmacher, Lisa-Katrina Mayer und Sebastian Röhrle laufen herein und das fünfköpfige Ensemble bildet eine in sich verschlungene Gruppe, an griechische Plastiken wie „Laokoon“ erinnernd, sich dabei ständig wandelnd. Der Text wird dabei chorisch gesprochen, manchmal zu fünft, manchmal zu zweit. Es entsteht eine warme Atmosphäre, der etwas Rituelles anhaftet.

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Diese Stimmung bleibt nach der Pause. Auch wenn Maci einzelne Dialoge geschrieben hat, ist der Text zumeist als prosaische Sprechfläche mit lyrischen Einsprengseln komponiert. Die Dialoge finden zwischen David und Catherine statt, die diesem eine Überraschung ankündigt: ihre Verwandlung zu Peter (das ist die Beziehung zu Hemingway). Zu den Stärken von Maci gehört, dass ihre Texte in ihrem lyrischen Duktus eine ruhige, unaufgeregte Grundhaltung erzeugen und mehr noch: Ihre Texte sprechen nur selten Dinge direkt aus, weil man sie sehen und fühlen kann, so wie der Wunsch nach Transsexualität. Hingegen schafft sie Situationen, die man als Zuschauer zu kennen glaubt, die nun in Poesie aufgehoben zugleich fremder wie durchsichtiger erscheinen. Der Alltag ist wieder das, was er ist: eine Abfolge von rituellen Handlungen, besonders, wenn es um Liebe geht. Und sich wie eine Schlange häuten zu können, in eine andere Haut zu schlüpfen, gehört zu den ältesten Sehnsüchten der Menschen.

Mythisch, rituell und surreal

Mit seiner Inszenierung unterstützt Franz-Xaver Mayr den lyrisch-mythologischen Charakter der Textvorlage. Auf allen Ebenen arbeitet er mit Formen der Verwandlung: auf der Ebene des Lichts mit ständigen Farbwechseln, mit der Bühne selbst, auf der zunächst die Leinwand hinter einem weißen Vorhang verschwunden ist, dann aber wieder auftaucht oder ein kleines Rondell – aus dem gleichen Vorhangstoff -, das hin- und hergeschoben wird.

Auch in den Kostümen (ebenfalls von Korbinian Schmidt) spiegeln sich derartige Momente: Da läuft das Ensemble in wallenden Kapuzenkostümen umher, in rötlichen Farbtönen, nur eine in Weiß. Später bekommt die Kostümierung etwas Priesterliches: Tino Hillenbrand im roten langen Gewand, Elias Krischke im schwarz glänzendem, Lisa-Katrina Mayer in einem weiten knallroten Kleid, Teresa Annina Korfmacher in einem schwarzen Kleid aus Rüschen, sowie Sebastian Röhrle sich einkuschelnd in einem weißen Pelz. Sein Grundkostüm ist allerdings eine hellgründe Hemdjacke zur blauen Strumpfhose. Überhaupt haben die Kostüme etwas Surreales. Manchmal erinnern sie aus der Ferne an das Triadische Ballett von Oskar Schlemmer.

Das hängt auch damit zusammen, dass Mayr seine Bilder choreografisch entwickelt, oft unterstützt durch die Musikauswahl von Matija Schellander. Das Ensemble agiert großartig, allen voran Sebastian Röhrle. Alle diese Mittel zusammen ergeben einen starken Abend, der in seiner Ruhe und Schönheit allerdings auch esoterisch wirkt.