Humor und große Fragen
In immer neuen Anläufen versucht sich Julia Sofia Franziska eine Welt zu erschaffen, in der ihre Einsamkeit überwunden werden kann. Sie träumt von Liebe, ganz kitschig, tanzt Insta-Posen, aber mit der Zeit fällt es ihr immer schwerer, ihren Status durchzuhalten. Nun taucht im letzten Drittel des Klassenzimmerstücks auch der Begriff „Einsamkeit“ selbst auf, wird vom „Ministerium der Einsamkeit“ in London erzählt oder vom Alleinsein in Las Vegas. Es gelingt dem Autorenteam, die von den Sozialen Medien vermittelten Glitzerträume in der Geschichte der Julia Sofia Franziska mit der realen Erfahrung ihrer Situation zu verbinden, ohne mit der pädagogischen Peitsche auf sie und dem Publikum einzuschlagen. Dafür hat Schulze auch viel zu viel Humor und Schlagfertigkeit: Man empfindet Empathie, aber kein Mitleid mit dieser Figur.
Was Schulze in diesem Solostück leistet, ist enorm und grandios komödiantisch die Szene, in der sie das Großhirn mit einzelnen Körperteilen kommunizieren lässt. In ihrem Spiel muss sie von einer Situation zur anderen springen. Zumeist hilft ihr Musik dabei, die neue Atmosphären schafft, aber manchmal wird der Sprung szenisch nicht vorbereitet. Überdeckt wird die Willkürlichkeit mancher Aktionen durch die Metaphorik des Titels „Popcorn“ als Chiffre für jene glitzernde Welt, die ein Kinobesuch verspricht. Gleichzeitig stellen sich philosophische Fragen wie: „Warum poppen Maiskörner zu unterschiedlichen Zeiten?“ oder gesellschaftskritische wie „Warum bleiben manchmal ganze Körner als Satz am Boden liegen?“
Julia-Sofia Schulze macht sich in „Popcorn“ auf die Reise in die glitzernde Scheinwelt der Social Media-Kanäle, die ihre Einsamkeit nicht aufheben, ja, nicht einmal verschönern können. Was bleibt? Sie lernt sich ihrer Einsamkeit zu stellen, erfindet nun ihre eigenen Tanzposen: Wie zu Beginn endet die Aufführung mit „No Roots“. Zuvor aber sind die schwarzen Vorhänge abgenommen worden. Der Raum erstrahlt nun in Weiß. Ein Mutmach-Stück nicht nur für Menschen ab 13 Jahren.