Mag diese Retrospektive auch der Grund für die seltsame Kleidung und überhaupt das an eine Mondlandschaft erinnernde Bühnenbild sein? Möglich. Die spärliche Szenerie, bestehend aus einem weißen Treppenpodest mit Rampen, könnte ebenso für den Aufgang zu einem Justizgebäude wie gleichsam schlichtweg für einen ironisch gemeinten Ort der reinen Unschuld gehalten werden. Darauf wird mal getänzelt, mal posiert. Zwischen den Szenenübergängen vollziehen die Handelnden zumeist eigenwillige, krampfartige Gesten, deren Sinnhaftigkeit bis zuletzt schleierhaft bleibt.
Abschluss ohne Ende
Genauso bewusst unterbelichtet zeigt sich das bei Röggla durchaus an Kafkas Roman „Der Prozess“ anknüpfende Prozessgeschehen, das die Figuren, auf das Publikum schauend, aus der Ferne kommentieren. Offenbar ist der Fokus der Autorin ein anderer als die kritische Betrachtung der Causa NSU. Vielmehr geht es ihr um das Tribunal als Projektion, an das sich Erlösungssehnsüchte und die fatale Hoffnung, mit all dem Unrat abzuschließen, knüpften. Aber es dürfte, wie eine der Figuren konstatiert, eben „nie vorbei“ sein.
Veranschaulicht wird dieses „Nie“ im Sinne einer fortwährenden Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut zuletzt etwa mit einem Fahrrad, auf dem die Gerichtsdienerin, die abwechselnd zivil oder in barockem Reifkleid auftritt, um die Kulisse kreist. Überdies macht ein Loch in der Mitte der Bühne deutlich, dass viele Hintergründe zum Gewalttrio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bis heute nicht aufgeklärt sind. Oft blicken die Figuren hinein und bemerken kaum, dass in ihren vorurteilsbelasteten Einstellungen der ideologische Glutkern weiter glimmt. Röggla bedient sich zu dessen Darstellung einer munteren Sprachkritik: Wenn etwa bezogen auf die Ausstattung des Gerichts davon die Rede ist, „einiges“ befände sich „nicht am rechten Platz“, hebt diese Äußerung sowohl auf die Sichtweise Rechtsnationaler auf die Bundesrepublik als auch auf die aus Sicht der Demokraten unzureichende Bekämpfung von Neonazis ab.
Gewiss, Rögglas subtil-satirische Dekonstruktion unseres Sprechens ‚über‘ den Prozess und die extremistischen Erscheinungen innerhalb der freiheitlichen Grundordnung mutet apart an, trägt aber leider kein auf zwei Stunden angesetztes Drama. Ziemlich schnell gerät diese Komposition daher in Leerlauf. Befördert wird er zudem durch die zurückhaltende Regie von Marie Bues. Diese lässt dem Text zwar Raum, findet aber kaum ausreichend bestechende Bilder dafür. So gesehen stimmt wohl die Annahme: Das Verfahren wird andauern, auch im Theater, das das Mysterium des NSU bislang nur zu umkreisen wusste.