Als weitere Ebene ist die Selbstreflexion der Spielerinnen und des Spielers mit einbezogen, die sowohl ihre eigenen Biografien als auch ihre Situation als freie Gruppe untersuchen. Unter den (noch) gegenwärtigen Pandemiebedingungen erscheint diese als „heldenhafter Kampf“ ums Überleben – auch davon erzählt die Aufführung und macht so die alten Geschichten aus dem „Nibelungenlied“ zur Folie aktueller Erfahrung. In deren Umsetzung spielt d nicht nur Musik eine große Rolle, sondern ebenso der Umgang mit theatralischen Mitteln. Gewalt wird nur ausnahmsweise körperlich ausgespielt. Zumeist genügen Flaschen mit roter Flüssigkeit, um die Ströme von Blut zu symbolisieren; oder ein Spiel mit Tierfiguren. Da frisst etwa die Katze den Wellensittich der Dorothea Lanz, wird dieselbe Katze demontiert und dann wieder zusammengebaut, verspritzt eine Batterie von Hamstern (oder Mäusen?) beim Aufprall auf den Boden ihr „Blut“. Kurz: Musik, Figuren- und Schauspiel verschmelzen hier zum Feuerwerk. In Kurzszenen werden noch andere Formen zitiert, etwa, wenn Sophia Müller Szenen von Marcel Marceau andeutet.
Charakter einer großen Improvisation
Die Regie von Veronika Reichard-Bakri wird es auf den Proben nicht einfach gehabt haben, aus dem Chaos der Einfälle eine stringente Handlung zu entwickeln. Selbst die Premiere hatte noch den Charakter einer großen Improvisation, wie es einer Performance eigen ist. Den Höhepunkt bildet die vorletzte Szene, wenn die überragende Esther Falk wie in einer Zaubershow Schwerter in eine Kiste, in der Johannes Werner sitzt, schiebt und mit Gaffa Tape die immer wieder aufspringende Tür der Kiste zuzukleben versucht. Während das Publikum noch begeistert die Improvisation feiert, öffnet Falk die Kiste wieder, zelebriert dabei die Abnahme des Gaffas, und holt mit entsetztem Blick ein Stück Fleisch aus der Kiste. In dieser Szene ist zusammengefasst, was die Aufführung ausmacht: der blitzschnelle Wechsel von Pointe, Spiellust, Show- und Zirkuseffekten – und Ernst.
Am Ende springt Johannes Werner davon und hinterlässt ein verblüfftes Ensemble, das die Bühne aufzuräumen beginnt und dabei die Ansage macht, dass die Aufführung leider abgebrochen werden muss, weil gerade jemand Corona hat. Natürlich kehrt auch Werner zurück, er musste nur zum Klo. Schade um diesen Schluss, der so abrupt herbeigeholt ist und so banal erscheint, aber vielleicht gehört das ja auch zu einer „theatralen Heldendemontage“ in einer Zeit, da sich mit dem Krieg in der Ukraine ein archaisches Heldenbild wieder neu zu formen beginnt?