Überaus klar sind die Konturen ihrer Choreografie, nicht zuletzt betont auch durch ganz zurückgenommene Kostümierung von Melanie Jane Frost. Nichts soll ablenken, und einer nach der anderen stellt sich in seiner Eigenart vor, ohne das Gesamtbild infrage zu stellen. Im Gegenteil: So individuell die einzelnen Armbewegungen auch sein mögen, sie erregen immer wieder die Aufmerksamkeit der anderen. Mehr als einmal wird ein Tanzimpuls von einem Körper auf den anderen weitergegeben, als wollte man bei aller Unterschiedlichkeit gerade das Gemeinschaftsgefühl nicht in Frage stellen.
Zwei Seiten der Kompanie
Das ist letztlich auch beim zweiten Teil nicht viel anders, auch wenn die Choreografin (der Archetypen-Lehre von C. G. Jung folgend) ihr Ensemble in „Magier“ und „Schöpfer“ teilt. Die „Magier“ sind hier diejenigen, die wie in einem Ballett von Uwe Scholz alles Technische überspitzen. Die „Schöpfer“ dagegen stehen, so der Erklärungsversuch der Dramaturgin Patricia Stöckemann, „in erster Linie für Kreativität, Experimentierfreude und Erfindungsgeist“. Die macht Xenia Wiest auf flacher Sohle sichtbar, mit unorthodoxen Bewegungen und einer Flexibilität der Gesten, die nicht ohne Eindruck bleiben. Schließlich haben es die Tänzer und Tänzerinnen ja nicht auf Konfrontation angelegt, sondern auf ein Miteinander, bei dem der eine vom anderen profitiert.
Und so gestaltet sich das Procedere überaus pointiert, wenn auch allzu vorhersehbar als eine Abfolge von Duos, Trios, Quartetten und Ensembles, bei denen die gegenseitigen Bewegungsangebote freudig, um nicht zu sagen: liebevoll angenommen werden. Das passiert immer vor dem Hintergrund einer Musik, die bei dieser Aufführung am Ende fast etwas Haptisches hat. Bühnenbildner Otto Bubenícek hat die Mecklenburgische Staatskapelle sicht- und vor allem hörbar auf der Bühne platziert – und so wie GMD Mark Rohde das 1. Klavierkonzert von Johannes Brahms dirigiert, durchdringt der Klang jeden Körper. Kein Wunder also, wenn die Tänzer und Tänzerinnen an diesem Abend über sich hinauswachsen und einen neugierig machen auf alles Kommende. Im Zeichen des X scheint alles möglich.