Lebensentscheidung
Von der Leichtigkeit des Seins ist in „Out of Breath“ nach der Pause nichts mehr zu spüren. Und das ist gut so, denn der schwedische Choreograf will mit dem „Pure Bliss“-Dreiteiler ja nicht zuletzt seine Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Eine Skulptur von Mylla Ek teilt den Raum, wie der Bug eines versunkenen Schiffes aus der Bühnentiefe aufragend. Scheinbar unüberwindlich steht es symbolisch als Scheide zwischen Leben und Tod. Inspiriert von der Geburt seines ersten Kindes, die offenbar nicht ohne war, schafft Inger ein Stück, das die dramatische Ausgangssituation stets spüren lässt, selbst wenn es nicht wirklich etwas erzählt.
Scharfkantig sind die Bewegungen vor allem für Shaked Heller. Überaus verletzbar gibt sich in ihrem Frau-Sein Agnes Su, die im Mittelpunkt des Werkes steht. So wie sich der Geiger Sebastian Klein, das „Vonósnégyes String Quartet“ von Félix Lajkó antreibend, während des Spiels von einem Notenpult zum anderen bewegt, verändert sich auch im weiteren Verlauf ihr Standpunkt, und am Ende überwindet auch sie das Hindernis mithilfe ihres Partners: ein alles entscheidender Schritt, der ihr Leben verändert.
Klassiker zum Lachen
Schwer, etwas dagegen zu setzen. Johan Inger versucht es abschließend mit der Uraufführung von „Aurora’s Nap“: einem „Dornröschen“-Digest der drastischeren Art. Eine knappe Stunde dauert der Ballett-Verschnitt, den Louis Stiens als Haushofmeister Catalabutte mit einem Taktstock eröffnet, als wäre er der Jerry Lewis des Balletts. Und auch all anderen chargieren, was das Zeug hält, und machen sich aus dem Dreiakter eine Jux, die einem mitunter die Lachtränen in die Augen treiben kann.
Am besten gelingt das, wenn das Ensemble die klassischen Pantomimen parodiert oder eine Zitterpartie wie das traditionelle „Rosen-Adagio“ per Handgriff so abgesichert wird, dass Elisa Badenes ewig auf Spitze stehen könnte. Die Feen wirken, von Ausstatter Salvador Mateu Andular bis in die Haarspitzen aufgetakelt, als kämen sie per Raumschiff Enterprise geradewegs aus ballettfernen Unterhaltungsgalaxien. Mit im Gefolge: die vier Prinzen, von denen sich der aus Deutschland besonders tölpelhaft anstellt. Allein Friedemann Vogel erscheint inmitten seiner Spaßgesellschaft als ebenso snobistischer wie suizidgefährdeter Desiré zunächst wie ein Sonderling, bevor auch ihn das Schicksal in Form einer Persiflage ereilt, der nichts heilig ist. Jedenfalls nicht die Ballettklassik eines Marius Petipa.
Anstatt im Nachspiel ein einziges Mal auf die Seriosität des Tanzes zu bauen und so Wirkungskraft seiner „melodramatischen Komödie“ zu erhöhen, stellt Inger die beiden Protagonisten auf seine Weise bloß. Der Begeisterung des Publikums tut das allerdings keinen Abbruch. Nach drei Stunden ist es hellwach und feiert das Stuttgarter Ballett, als wär’ der Abend das reinste Vergnügen.