Vielschichtige Erzählung
Die Abenteuer, die Iwein und Gawein erleben, lassen sich auf vielen Ebenen deuten. Sie ergeben aber auch eine einfach ebenso temporeich wie unterhaltsam erzählte Geschichte. Das macht die Oper so familientauglich: Jede Altersgruppe kann sie auf der Ebene lesen, die ihr gemäß ist – und ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen. Damit ist sie im besten Sinne pädagogisch wertvoll, ohne jemals den pädagogischen Zeigefinger zu erheben. Und unterhalten tut sie dabei auch noch.
Das liegt nicht zuletzt an Moritz Eggert, der die überaus farbige Musik dazu geschrieben hat, die ebenfalls auf vielen Ebenen spielt. Bekanntermaßen hat Eggert keinerlei stilistische Berührungsängste. Er bedient sich mit routinierter Hand aus dem musikalischen Gemischtwarenladen aller Epochen und amalgamiert alles zu etwas völlig Neuem. Was dabei rauskommt, ist echter Eggert: unterhaltsam, temporeich, immer pointiert und charakteristisch, ernst und witzig, manchmal auch tragisch und aberwitzig. Aber eines ist diese Musik nie: anspruchslos. Sie fordert ihr Publikum, biete ihm allerdings auch viel Stoff für die Ohren.
Schillern und klangstark
Dass sie in Bonn so gut ankommt, liegt nicht zuletzt am Beethoven Orchester, das Eggerts schillernden Soundtrack unter der Leitung von Daniel Johannes Mayr mit schmissiger Verve und detailverliebter Sinnlichkeit spielt. Schlagzeug- und Bläsergewitter kommen mit voller Wucht aus dem Orchestergraben, irisierende Klänge und sphärische Wolken mit faszinierender Vielschichtigkeit. Das Ensemble auf der Bühne steht dem in nichts nach. Der von Marco Medved einstudierte Opernchor ist immer eine sichere Bank und hat hier hinreißende Szenen: das von Moritz Eggert so charakteristisch auskomponierte Schluchzen der Hofdamen im ersten Akt etwa oder manche Kampfszene im zweiten Akt. Als Klangkörper singt man ebenso druckvoll wie sensibel, als Darsteller agiert man ebenso gewandt wie kollektiv.
Das Sängerensemble ist ausgezeichnet, allen voran Anton Kuzenok als Iwein, der den Helden mit tenoraler Markanz verkörpert. Sein Bruder Gawein, verkörpert von Jakob Kunath, tritt in der Geschichte etwas in den Hintergrund, überzeugt aber darstellerisch und sängerisch nicht weniger. Zwei Kunstgriffe erlaubt sich die Geschichte: Die Figur des erzählenden Löwen wird auf einen Puppenspieler (Christoph Levermann) und einen Sänger (Michael Krinner) verteilt. Die Herzen der Protagonisten Iwein und der Burgherrin Laudine (hervorragend: Lada Bočková) werden von eigenen Darstellerinnen übernommen. Hier sind es Ava Gesell und Sarah-Lena Winterberg, die ihnen stimmlich und szenisch eine rundum gelungene Kontur geben. Ferner gehören Katharina von Bülow als Hofdame Lunete und Pavel Kudinov als Gegner/Wilder Mann zum Ensemble, auch diese beiden tragen maßgeblich zum Erfolg der Oper bei.
Die kommt in einer temporeichen Inszenierung von Aron Stiehl auf die Bühne, der die Geschichte zu einem knallbunten Panoptikum macht, bei dem Groß und Klein auf ihre Kosten kommen. Klassiker der Kinderwelt spielen dabei genauso eine Rolle wie aktuelle Jugendkultur. Die Kombination ist unterhaltsam und beziehungsreich zugleich. Zusammen mit dem überaus fantasievollen Bühnenbild von Thomas Stingl und den als Figurinen gestalteten Kostümen von Sven Bindseil ergibt sich hier ein überaus facettenreiches und stimmiges Gesamtbild. Zwei Momentaufnahmen: nur die beiden Protagonisten Iwein und Gawein tragen „echte“ Kostüme in 3D und bewegen sich zumeist auch so. Und ein Kampf gegen die finsteren Mächte der Dunkelheit wird als scherenschnittartiges Schattentheater inszeniert. Insgesamt erlebt man so zwei unterhaltsame und kurzweilige Stunden, die aber tiefgründiger sind, als man zunächst denken könnte. Aber die Ebene, auf der man diese gelungene Familienoper sieht, bleibt am Ende jedem selbst überlassen.