Was darunter liegt
Aber bedeutet dieses Schweigen, das jederzeit explodieren kann, nur in einem Zwischenzustand zu leben – in einem Provisorium von lauter Umzugskartons, um schnell die Flucht ergreifen zu können? Das Bühnenbild von Vincent Mesnaritsch für die Inszenierung am Theater Konstanz legt das jedenfalls nahe: Eine Menge von Kartons türmen sich auf der Bühne zu einem Gebirge. In den größeren verbergen sich Zimmer, ein in Packpapier verpacktes Sofa dominiert in der Mitte, ein weiteres links unten fällt erst später auf. Kartonlandschaften verweisen auf ihre Fragilität und Vergänglichkeit. Aber hier ist nichts vergangen. Was hier verhandelt wird, ist pure Gegenwart. Und die ist ätzend! In seiner Inszenierung rückt Abdullah Kenan Karaca, ein von Christian Stückl am Münchener Volkstheater geförderter Regisseur, der auch zweiter Spielleiter bei den Oberammergauer Passionsspielen ist, das „Zwischen“ ins Zentrum.
Es ist Clara, die zerrieben wird zwischen ihrer Mutter und ihren Kindern. Karaca treibt Katrin Huke als Clara in starke hysterische Ausbrüche, Verzweiflung äußert sich in Lautstärke. Huke wirkt herb, wo sie eigentlich ihre Liebe zu ihren Kindern ausdrücken möchte. Huke zeigt eine Frau, die immer mehr verliert, während sie versucht, es festzuhalten. Lin hingegen, am Abend ihres Lebens – am Ende stirbt sie – steht souverän über allem. Sabine Martin überspielt diese Altersweisheit zu offensichtlich selbstzufrieden. In ihrem Spiel fehlt die Tiefe, das Geheimnis ihrer Geschichte. Pauline Werner als Rahel, von Elke Gattinger in ein fürchterliches Kostüm gesteckt, hingegen huscht über die Bühne, täuscht Empathie vor, denkt aber nur an sich: Auch sie wird diesem Familiengefängnis verbunden bleiben.
Salzmann schreibt wunderbare Dialoge. Sie verschweigen mehr, als sie aussagen, sie funktionieren quasi auf zwei Ebenen. Karaca ist dabei leider eher auf der Oberfläche geblieben. Ein bisschen mehr Tiefenbohrung hätte seiner Inszenierung gutgetan.