Sebastian Kempf und Brigitte Dethier in der Uraufführung „Oma Monika – was war?"

Wenn der Enkel mit der Oma...

Milan Gather: Oma Monika – was war?

Theater:Junges Ensemble Stuttgart, Premiere:28.11.2021 (UA)Regie:Milan Gather

Wie soll ein Kind mit der Demenz seiner Großmutter umgehen? Balthasar wird ständig von seinen arbeitenden Eltern bei der Oma Monika abgegeben, nun aber soll er gleich ein paar Tage bei ihr bleiben – und das verändert seine Wahrnehmung: Wenn diese schon zuvor ein paar merkwürdige Verhaltensweisen, kurze Aussetzer, zeigte – z.B. einen Kuchenteig zu föhnen, statt zu backen –, muss der Junge nun feststellen, dass da etwas nicht stimmt. Dem jungen Autor und Schauspieler Milan Gather gelingt es in seinem Stück „Oma Monika – Was war?“ konsequent, das Wort „Demenz“ zu vermeiden. Er beschreibt nach einer ausführlichen Recherche zusammen mit dem Ensemble des Jungen Ensemble Stuttgart (fast) alle Erscheinungen dieses Krankheitsbildes in seinem Text in eindrücklicher Weise. Er muss auch deshalb diesen Begriff nicht benutzen, weil er konsequent die Perspektive des Jungen einnimmt und damit auch das junge Publikum mitnimmt: Balthasar beobachtet das Verhalten seiner Oma Monika, er reagiert emotional darauf, aber er analysiert und bewertet es nicht.

Rollenspiele im Wechselbad der Gefühle

Gather schickt sein Publikum in ein Wechselbad der Gefühle. Statt die Eltern anzurufen, lässt Balthasar sich neugierig auf ein Spiel ein, mit dem er herauszufinden versucht, wer seine Oma war. Dazu beginnt er immer neue Rollenspiele mit ihr – und seine Oma lässt sich verführen, steigt in das Spiel ein, bald aber auch wieder aus. Aber schon setzt Balthasar den nächsten Impuls, ein immer irrwitziger werdendes Spiel, temporeich und doch wieder mit Momenten, die betroffen machen, eine Achterbahnfahrt, zumal es ihm nicht gelingt, die Bruchstücke zusammen zu fügen. Sebastian Kempf spielt diesen Jungen zunächst als schüchternen Beobachter, mit leisem Tadel im Unterton. Je mehr er sich bei der Spurensuche zu der Biografie seiner Oma Monika zum „Spielmacher“ entwickelt, umso neugieriger wird er. Dabei lässt Kempf nicht nur seine Sympathie für die Figuren spüren, sondern auch für die Situation der Oma Monika.

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Die scheidende Intendantin auf der Bühne

Diese spielt Brigitte Dethier. Am Ende ihrer Intendanz betritt sie zum ersten Mal als Schauspielerin die Bühne des JES. Eigentlich schade, denn sie gestaltet ihre Rolle mit einem Facettenreichtum aus, der Staunen macht. Wie sie blitzschnell zwischen Momenten völliger Klarheit und des Entrücktseins hin und her switcht, wie sie zwischen Augenblicken, in denen sie jung und spitzbübisch wirkt, und solchen, in der ihr alles auf einmal zu viel wird, ist von großer Leichtigkeit. Mit „Oma Monika – was war“ hat Milan Gather ein spannendes Stück für zwei Schauspieler geschrieben. In seiner Regie achtet er auf das Zusammenspiel der beiden Akteure, auf das Band, das die beiden miteinanderverbindet. Dabei spielt die von Ögünc Kardelen komponierte Musik eine wichtige Rolle: Schon am Anfang finden Balthasar mit E-Gitarre und Oma Monika mit einem Elektroherd als Schlagzeug zu einem Song zusammen, eine Szene, in der die große Vertrautheit zwischen den beiden Figuren sinnlich zum Ausdruck kommt. Am Ende wird das in einem kleinen Rockkonzert wieder aufgenommen.

Carolin Mittler hat dazu einen Raum entworfen, der das Flirren zwischen Realität und Entrückung im Bild festzuhalten versucht. An der linken Bühnenseite ragt die Decke mit einer großen staubigen Lampe in den Raum seitwärts hinein, ein großes Geweih wiederum hängt normal. Zu Beginn ist die Bühne bis auf einen die ganze Breite einnehmenden Perlenvorhang leer. Nach und nach werden Elektroherd, Spüle oder eine Essecke mit scheußlich rotem Kunstlederbezug hereingeschoben. An der rechten Seite beherrscht ein hoher Stapel alter, zum Teil vergilbter Zeitungen die Szene. In der aktuellen Ausgabe ist das Kreuzworträtsel, dass im Spiel zwischen Enkel und Oma gelöst werden muss.

Eine Autoren- und Regieentdeckung, eine Spielerin und ein Akteur, die ein wichtiges Thema mit großer Leichtigkeit erzählen können: Was will man mehr?