Menschliche Götter
Die Götter tragen in Basel weiße Unterhosen (Kostüme: Bente Rolandsdotter). Und sind auch sonst allzu menschlich, wenn sie zu Beginn herumalbern und mit einem Plastikbogen schießen oder sich wie Neptun (Alex Rosen mit mächtigem Bass und viel Brusthaar) auch mal in die Schmollecke zurückziehen, weil Jupiter (mit Charme und Tenorglanz: Rolf Romei) es ihm nicht recht machen kann. Mit seinem schwerelosen, betörenden Altus ist Théo Imart in gleich drei Rollen (Amor/Juno/Amphinomos) musikalisch ein echter Glückbringer. Und Minerva (mit schlankem Sopran: Stefanie Knorr) stampft auch mal auf den Boden, um sich Gehör für ihre feinen Verzierungen zu verschaffen. Penelope steht ganz im Zentrum der Inszenierung. Sie ist gefangen in ihrer weißen Zelle (Bühne: Didzis Jaunzems). Hier erfährt Katarina Bradić im Prolog die menschliche Zerbrechlichkeit. Hier wird sie von den drei Freiern, die von den als Menschen verkleideten Göttern verkörpert werden, heftig bedrängt. Aber diese Penelope bleibt dank Bradićs dunklem, tragfähigem Mezzosopran stark und widerstandfähig, zeigt aber auch gegenüber ihrem Sohn Telemachos (präsent: Jamez McCorkle) ihre weiche Seite.
Lange Zeit bleiben die acht Männer, die als Odysseus-Ersatz vom Hirten Eumaios (brillant: Ronan Caillet) willkommen geheißen werden, Statisten. In den Texten aus dem Off erfährt man nur wenig von ihnen. Sie sprechen über die Sehnsucht nach der Mutter und die Distanz der Schweizer, über vertrautes Essen und fremde Geschäftigkeit. Den Schmarotzer Iros, der von den Freiern verköstigt wird, macht die Regie zum ausländerfeindlichen Wutbürger mit Gummistiefeln und Giftspritze auf dem Rücken. Schauspieler Martin Hug bewältigt die gesanglichen Herausforderungen wie die Lamento-Parodie zu Beginn des dritten Aktes mit vollstem Einsatz. Und lässt vor dem Selbstmord noch ein paar Hetzreden auf Schwyzerdütsch ab. Am Ende werden die acht Männer, die sich in den Zuschauerraum gesetzt haben, vorgestellt. Leandro aus Portugal, seit drei Jahren in der Schweiz. Boris aus Hongkong, der zuvor lange in London lebte. Jeder steht auf, lächelt ins Publikum und wird von Penelope mit einem freundlichen Winken begrüßt. „Nun erkenne ich dich!“, singt sie, eigentlich für Odysseus, in Basel für die acht Ausländer. Fast zu schön, um wahr zu sein.