Innere Widerstände überwinden
Soweit zu den Botschaften und Ausrufezeichen dieses Abends, der Theater unverkennbar als Raum des Aktivismus beschreibt. Wachgerüttelt und reichlich geschult wird man von sechs Spieler:innen. Alle tragen übergroße, weiße Latzhosen und bunte Hemden. Mal umarmen sie sich, um sich gegenseitig angesichts der drohenden Apokalypse zu trösten. Mal geraten sie in Streit oder sinnieren über die Möglichkeit, einen zweiten Planeten zu besiedeln. Wie in einer Kreisbewegung kommen sie dabei immer wieder zur Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln. Sie ringen mit ihrer eigenen Unzulänglichkeit, streng auf Milch und Eier zu verzichten, schwanken zwischen Resignation und Widerstand.
Um das didaktische Setting und den Schrecken der Realität zu durchbrechen, lässt Regisseur Patrick Wengenroth seine Akteur:innen abwechselnd singen. Diese Lockerungsübungen innerhalb eines weitestgehend statischen Arrangements gehören zu den Höhepunkten der Darbietung – inklusive reichlich zynischem Humor. Wenn nicht zu Disco-Licht gerade das „Herz aus Hack“ besungen wird, das ein Verliebter einer Metzgerin schenkt, vernimmt man Songs zur Heilung der kaputten Erde. „Rette die Welt“, lautet der Refrain eines Schlagers. Nachdem dazu der Raum eingenebelt wurde, beginnt das große Husten. So erweist sich das weiße Gas rasch als Bild für den zu hohen Kohlenstoffdioxidgehalt in der Luft.
Unbequemes Theater
Gewiss lebt die Premiere von dem außerordentlichen Einsatz der Schauspieler:innen. Allen voran Frida Österberg und Thomas Schumacher bieten eine überragende Show. Aber genügt uns ein solches Format? Genügt uns der kluge Text des Autors oder das spärliche Bühnenbild, das sich vor dunklem Vorhang aus schwarzen und gelben Streifen (also den Gefahrenstofffarben) auf dem Parkett zusammensetzt? Sichtlich der Buchvorlage erlegen, weiß der Regisseur abseits einiger Effekte kaum eine überzeugende, mitreißende Idee zu entwickeln. Kurzum: Es mangelt ihm an kompositorischer Vision.
Obwohl kaum eine ästhetischer Funke überspringt, offenbart die Inszenierung eine Dringlichkeit, die nicht ausschließlich aus dramaturgischen Gründen bestritten werden sollte. Dieses Theater ist Teil einer spätmodernen Aufklärung und einer zivilgesellschaftlichen Verantwortungsethik. Selten zuvor wurde übrigens das Leid der Tiere, die am Ende in übergroßen Plastikfiguren auf der Bühne liegen, derart forciert in den Blick einer Stückrealisierung genommen. Allein das ist ein Gewinn. Wir werden eines Theaters gewahr, das – zum Glück – ziemlich unbequem sein will.