Göttliche Uraufführung: „Voices“
Das ist bei „Voices“, der eigentlichen Uraufführung, nicht grundsätzlich anders. Schon der hohe Kastenraum von Eno Henze ist ein Blickfang, auch weil er den Abend über unmerklich seine Farbe wechselt. Und auch das Ensemble, von Polina Semionova, Aya Okumura und Alejandro Virelles angeführt und von der Ex-Tänzerin Yumiko Takeshima aufs Aparteste gekleidet, gibt sich so göttlich, als wären sie nicht von dieser Welt.
Dabei geht in der Komposition von Max Richter hörbar um die Erklärung der Menschenrechte, so wie sie 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen proklamiert wurde. Immer wieder werden einzelne Artikel daraus verlesen, ohne dass sie groß Widerhall finden in der mehrsätzigen Musik. Dawson selbst spricht im englischen Text denn auch eher von der „Sehnsucht”, die er porträtieren wollte – und voller Sehnsucht heben sich die Tänzerinnen immer wieder auf die Spitze, als könnte das klassische Ballett mit seinem wohlgeordneten Kontext weiterhelfen. Die Arme weit geöffnet, die Hände immer wieder wie zum Kelch geformt, den Körper zurückgebogen, lassen sie dabei indes eher an eine Heilsbotschaft denken als das strikte Einfordern irgendwelcher Grundbedürfnisse.
Lediglich im „Chorale“ findet sich fast unauffällig eine Geste, die mehr aussagt über ein menschliches Miteinander als aller gleichmacherischer Tanz. Liebevoll fassen die drei Solistinnen ihre Partner an den Schultern und weisen ihnen auf wahrhaft berührende Weise den Weg. Er mag lang sein, muss aber gegangen werden.