Natürlich ist dieser ganze Zirkus auch ein Mittel, mit den überhohen
Erwartungen an diesen Abend umzugehen. Ein weiteres Mittel ist die
extreme Unterspanntheit, in die er phasenweise abgleitet, wenn die
menschlichen Akrobat:innen nicht mehr weiterwissen in ihrem Kreisen um
die neuen Formen, die alte Jugend („mit ihren graugefärbten Haaren und
ihren Augenringen“) und den Originalitätsdruck, unter dem Wuttke gleich
zu Anfang einen schnorrenden, biertrinkenden Roboter erfindet als
Ebenbild des Menschen, oder eher – als Sehnsuchtsbild des Künstlers, von
dem immer neue Zauberstücke erwartet werden?
Erlösung – auch fürs Publikum – bringt der lachsfarbene Vorhang, nicht
nur wiederkehrendes Thema – „Stoff“ – sondern auch eigentlicher
Hauptdarsteller des Abends. Wie das Skelett auf Martin Wuttkes Rücken
ist er an etlichen Fäden aufgehängt, ein:e unsichtbare:r
Puppenspieler:in (der Regisseur? Dessen Allmacht hier sonst ständig
bestritten wird!) lässt ihn tanzen, sich zusammen- und
auseinanderziehen, als wäre „das Ding lebendig“, wie Susanne Bredehöft
(bekannt aus mehreren Schlingensief-Filmen) irgendwann ausruft. Der
Vorhang setzt mit seinen Ausdruckstänzen die ganze Theatermaschine in
Bewegung, Scheinwerfer leuchten auf, Fagott und Klarinette quaken und
quietschen avantgardistisch, und Kathrin Angerer ergänzt die Nouveau
Cirque-Atmosphäre mit ein bisschen rhythmischer Sportgymnastik und
schwenkt bunte Bänder. Es fühlt sich an wie ein Stoßlüften.
Denn sehr viel „alte Volksbühne“ hängt sonst noch in diesem Abend, und
das soll auch so, wird klar, schon wenn man die Programmzettel sieht,
die anmuten „wie früher“. Auch im Logo ist das Räuberrad der Castorf-Ära
wiederauferstanden, nur jetzt zusammengesetzt aus bunten Legosteinen.
Und war man zu Anfang der Vorstellung noch froh, den lauten
Querdenker:innen entronnen zu sein, die die Eröffnungs-Öffentlichkeit
vor dem Theater als Bühne für eine wirre „Protestaktion“ nutzten, so
präsentieren Pollesch und sein Ensemble sich im Laufe der 90 Minuten
doch sehr betont als Klassiker:innen, in einem Theater, wo man weiß, was
man kriegt. Und es wird – trotz zuverlässiger kleiner szenischer
Höhenflüge – schon bald ein bisschen langweilig. Aber das war ja erst
der Anfang.