Obwohl Bärfuss‘ Stück derart verwinkelt ausfällt und zahlreiche Handlungslinien parallel laufen lässt, erzählt es wenig. Wenn Albrecht sich im goldenen Grill Würstchen zubereitet oder der Joachim sich gern auf seine goldene Rutsche schwingt, dann werden wir allein der Verkommenheit und Dekadenz einer Politkaste gewahr. Hinzu kommt, erwartungsgemäß für ein Lutherstück, ein Quantum Kapitalismuskritik. So darf der Cola-Getränkeautomat auf der Bühne neben einem Kiosk, in dem der sächsische Fürst Friedrich (Barbara Colceriu) mehr oder weniger mit allerlei Devotionalien residiert, nicht fehlen.
Aufgehübscht wird die reichlich leere Farce durch allerlei Effekthascherei einer sichtlich um bunte Bilder bemühten Regie. Mal tanzt man zur Tetrisversion der Bach’schen Badinerie oder Madonnas „Like a Virgin“. Mal vernimmt man die Melodie des Wilden Westens. Dazwischen DJ-Sounds vom eigenen Mischpult auf der Bühne. Und während korrupte Pläne zur Nachbesetzung des Kaisers gesponnen werden, trällert der bigotte Papst mit seinen Kumpanen „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Plakativ, um nicht zu sagen: billig, fallen diese Manöver aus. Statt dem lediglich in wenigen ausdrucksstarken Momenten verhandelten Kampf um die innere Überzeugung, mithin der großen Gewissensbotschaft Luthers Raum zu geben, zeugt die Bühnenshow von einer Vorabend-Soap-Oper. In ihrem Marienhof light zieht Regisseurin Ildikó Gáspár alle Register einer sich sinnhaft nicht einlösenden Aktualisierung. Durch die Omnipräsenz von Handy und Telefon wird der historisch angelegte Text irgendwie ins Hier und Heute versetzt. Dabei sehen wir die Telefonierenden in geteilten Projektionen auf einer gigantischen Leinwand in der Mitte der Bühne. Man legt auf, ruft wieder an. Gebimmel überall. Sollte sich dahinter eine tiefere Medienkritik oder -philosophie verbergen, so dürfte sie uns entgangen sein. Von Luthers Bekenntnis vor 500 Jahren vor dem Wormser Reichstag, seine Schriften nicht zu widerrufen, ist bei den Nibelungenfestspielen nur eine aufgeblasene Pop-Posse übrig geblieben. Wenn man doch wenigsten über den Slapstick würde lachen können. Aber selbst schlechter Humor will eben gekonnt sein.