Aber die Bedingungen verlangen doch Anpassungen: Für das vorgeschriebene Orchester vor allem fehlt jetzt der Raum. Die Rechteverwalter sind bekannt dafür, dass sie sehr genau darüber wachen, dass gerade dieses Stück nicht verändert wird. Das TKZ darf – die Pandemie macht’s möglich – eine Fassung mit zwei Klavieren spielen. Und ganz sanft und etwas versteckt scheinen hin und wieder auch ein paar andere Register der beiden elektronischen Instrumente eingesetzt (musikalische Leitung: Till Löffler, 2. Klavier Olav Lervik).
Klanglich verlieren sich so natürlich viele Farben. Man weiss auch nicht recht, ob die Begleitung die Singenden verleitet, tendenziell eher laut zu werden oder umgekehrt: Ist die Verstärkung der Stimmen notwendig? Andererseits passt die klangliche Beschränkung gut zur szenischen Umsetzung und gibt dem Text und dem szenischen Spiel mehr Gewicht.
Dieses legen Regisseur und TKZ-Chef Rüdiger Burbach und seine Ausstatterin Beate Fassnacht reduziert und klar an: Die Handlung läuft in pausenlosen zwei Stunden schnörkellos ab, die Konzentration liegt auf den genau geführten neun Figuren und dem klar gestalten Wechsel von Sprechen und Singen. Äusserlich wirken sämtliche Mitwirkenden mit ihren weiss geschminkten Gesichtern wie Zombies oder Figuren aus einem Gothic-Stummfilm. Die eröffnende Moritat singt man im Chor, ein scharfer Lichtkegel markiert, wer die Ansager-Rolle übernimmt. Die Songs werden direkt ans Publikum gerichtet, nicht immer oder allen passen dabei die mehr oder weniger angedeuteten choreographischen Elemente (Diane Gemsch). Der Kommentarcharakter wird damit aber betont, das „romantische Glotzen“ gebrochen, auch weil die gesprochenen Teil stark gekürzt und zugespitzt sind und so die kommentierenden Songs und Balladen noch mehr Gewicht bekommen – dem Stück tut das gut. Vor allem, wenn sich Text und Musik so toll verbinden wie bei Katharina von Bock (Frau Peachum) bei der Ballade von der sexuellen Hörigkeit oder bei Romeo Meyer (Peachum) im Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens.
Auch Anja Rüeggs Polly findet einen eigenständigen Weg der Verbindung von Gesang und Schauspiel. Michael von Burg zeigt, wie man auch aus kleinen Rollen (fast) ohne Gesang mit Blicken und Haltungen viel herausholen kann. Joachim Aeschlimann ist ein ziemlich junger Macheath, singend passt er gut, im Spiel wirkt er allerdings etwas nett und propper für den verschlagenen Gangster, so dass man ihm die finale Rettung durch einen Boten des Königs mit Luftballon-Rösschen und direkt aus dem Zirkus (Pit Arne Pietz fühlt sich sängerisch spürbar unwohl) schon zu sehr gönnt – anders als dem engagierten TKZ, mit dem man sich einfach darüber freuen kann, dass es seine Jubiläums-Produktion wenigstens zeigen kann.