Der unerlaubte Flirt zwischen der höheren Tochter und dem Dienstboten ereignet sich hier hinter verschlossenen Türen. Nicht jedes Wort ist zu verstehen, dafür erkennt man umso deutlicher die wachsende Unruhe an Frick alias Köchin Kristin. Sie wringt nur wortlos den Putzfetzen aus, aber man sieht ihr das Leid einer betrogenen Frau deutlich an. Ohnmächtige Wut. Große Schauspielkunst.
Regisseurin Mateja Koležnik geht bei ihrer Inszenierung, die Klassissmus und Sexismus, Liebe und Lust verhandelt, durchaus ein Wagnis ein: Was bleibt von dem Stück, wenn Schlüsselszenen nicht gezeigt, allenfalls erahnt, wenn also gewisse Spielregeln des Theaters grundlegend hinterfragt werden?
Strindberg entwarf im Vorwort zu „Fräulein Julie“ wegweisende Vorstellungen für ein naturalistisches Theater: Er bestimmte etwa, durch bewusste Auslassung die „Fantasie zu erregen, um das Fehlende zu ersetzen“. Koležnik treibt in ihrer hyperrealistischen Inszenierung diesen Ansatz noch weiter voran. Das erscheint theoretisch nicht uninteressant. In der Praxis erweist sich das Versteckspiel jedoch nicht unbedingt als förderlich.
Trotz herausragender darstellerischer Leistungen fehlt es dem 70-minütigen Abend bald an Spannung und Rhythmus. Daran kann auch Burgtheater-Neuzugang Maresi Riegner, die nach allen Regeln der Kunst als Julie auf der Bühne zusammenbricht, wenig ändern. Itay Tiran hält sich als Jean wacker zwischen den Kontrahentinnen.
Bereits bei der Uraufführung von „Fräulein Julie“, 1889, empörten sich die Suffragetten über das darin kolportierte Frauenbild. Was vermag eine liebestolle Adelige, die zu ihrem eigenen Leidwesen in den Diener ihres Vaters vernarrt ist, über heutige Geschlechterkampfzonen zu sagen? Die Aufführung im Akademietheater bleibt eine Antwort schuldig.