"Ich liebe Dir" mit Krunoslav Šebrek als Papa Maik

2:0 für die Angst

Dirk Laucke: Ich liebe Dir

Theater:Deutsches Nationaltheater Weimar, Premiere:28.10.2020 (UA)Regie:Beate Seidel (Szen. Einrichtung)

Aufrechte Antifa-Jungs, die fliehen, aber trotzdem Steine auf Nazi-Rassisten schmeißen? War das die DDR? Und ist der Westen faschistisch, weil es dort immer noch den „Führer“-Schein gibt? Das sind einige der Fragen, die Maik lauthals umtreiben. Vor allem aber will er seinen Sohn wiedersehen und wiederhaben. Der soll ihn endlich im „Schreckgespenst Ostdeutschland“ besuchen! Diesen mehrschichtigen und mehrfach zwiespältigen Monolog von Dirk Laucke brachte der Schauspieler Krunoslav Šebrek im Weimarer Nationaltheater erstmals auf die Bühne.

Die wird von Schal, Trikot, Fotos von Union Berlin dominiert, den Verein liebt sein Sohn, den er 366 Tage („Scheiß-Schaltjahr!“) nicht gesehen hat. Auf der aufgeklappten Spielfläche der Studiobühne (Raum: Oliver Helf) hat Ausstatterin Marie-Christin Riedel eine Pinnwand so liebevoll wie penibel als Fußball-Hommage gestaltet. Maik hat sich außerdem eine Liste aufgehängt, damit er nichts vergisst, von Frühstück bis… auch er erkennen muss, dass Chris nicht kommen wird. Also widmet er seinen Monolog dem wie eine Ikone aufgestellten Foto des Sohnes.

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So emotional, dicht, auch komisch beginnt „Ich liebe Dir“. Und Krunoslav Šebrek, in lila Jeans, grauer Windjacke und Markenturnschuhen (Adidas), spielt und trägt diese ersten Szenen genauso. Bewusst aufrecht, lapidar, lakonisch, immer einen griffigen Spruch auf den Lippen; aber auch voll unterdrückter Wut, rat- und im Grunde auch sprachlos. Dirk Laucke, dessen Theatertexte in Weimar schon häufiger uraufgeführt wurden, brachte diese Figur schon einmal auf die Weimarer Bühne, als „Papa Maik“ in einem Europa-Projekt (siehe Online-Kritik vom 04.10.2019). Natürlich schreibt der Autor den Vornamen „ostdeutsch“, von der „heuteshow“ so gerne verhöhnt. In „Ich liebe Dir“ versucht Laucke nun, möglichst viele Ost-West-Befindlichkeiten möglichst griffig aufzugreifen. Sein Maik ist der „ostblockmäßige Erzeuger“, der „Friede, Freude, Eigentum“ sagt und die eigene Armut meint. Natürlich kommen die Greta-Demos vor („gehen mir am Allerwertesten vorbei“), der Osten ist mangels Kohle CO2-frei und „alles irgendwie eins“; schließlich wird Maik so humorlos wie sein Feindbild.

Šebrek, der Solist des Abends, ist über weite Strecken der 75 Minuten berührend und brillant. Er illustriert die eigenen Sätze mit dem Körper, stellt und beantwortet die altklugen Fragen des abwesenden Sohnes, hält Pausen aus und die Spannung meist hoch. Aber dieser Maik bestätigt und inszeniert sich auch gern selbst, verliert den Sohn, den er doch wiederhaben will, zunehmend aus Augen und Sinn. Schließlich boxt Šebrek – natürlich mit Marken-Handschuhen – seine Angst in den Boden. Um die geht es letztlich: den Neuen der West-Ex nicht übertrumpfen zu können, der eigenen Familiengeschichte mit Antifa-Opa nicht gerecht zu werden, Sohn und Perspektive zu verlieren, wenn er je eine hatte. Und Dirk Laucke, der schon bessere Stücke geschrieben hat, pflegt ein Ost-West-Bild, das genauso klischeehaft wie bei Maik und irgendwie jahrealt scheint. Dass er mit dem Monolog nicht wirklich auf den Punkt kommt, macht es Šebrek und seinem Nicht-Helden nicht einfacher. So heißt es am Ende für Maik: 2:0 für die Angst.