Was aber soll man machen, wenn man als Opa (erfolgloser) Dichter und nicht gerade ein Ordnungsfanatiker ist, plötzlich drei Enkel versorgen muss, weil die Mutter im Krankenhaus ist und dann auch noch eine hartnäckige Fürsorge vor dem Fenster, pardon: Türe steht? Und ein verhaftungsfreudiger Polizist ständig Opa Bert und Fürsorgerin, an Handschellen zusammengefesselt, aufs Revier bringt? Da muss man zu den drei Groschen greifen, die ja im Cent-Zeitalter nichts mehr bedeuten und auch eigentlich schon von allein aus dem Rahmen fallen. Und der Dichter-Opa geht damit auch nicht etwa einkaufen, sondern verteilt sie einfach so: Sie sind kein Zahlungsmittel, sondern haben magische Kraft; da wird alles ganz leicht, beginnt zu fliegen, die strenge Fürsorgerin wird plötzlich nett und die Welt um Opa scheint nun nicht mehr aus den Fugen. Zumal er am Ende erfährt, dass sein Stück „Der DreiGroschenOpa“ zur Uraufführung angenommen ist und auch ein Scheck dabei liegt. Die Macher vom Theater Mummpitz lieben solche selbstreferentiellen Bezüge.
Es ist bewundernswert, wie musikalisch dieses Ensemble ist, das Instrumente wie Akkordeon, Trompete, Schlagzeug und Gitarre beherrscht. Der Liechtensteiner Komponist Marco Schädler – „Der DreiGroschenOpa“ ist eine Koproduktion mit dem TAK Theater in Liechtenstein – hat dazu eine Musik geschaffen, die sehr melodiös ist, manchmal sehr verfremdete Anleihen macht bei der „Dreigroschenoper“ und dabei sehr geschickt am Können des Ensembles andockt. Nicht zufällig knüpft der Abend dabei in zwei Punkten an Brecht an: einmal inhaltlich am Thema der Armut, genauer der Kinderarmut in einer Gesellschaft, die nichts unternimmt, um die Schere zwischen Arm und Reich aufzuheben. Zum anderen an der Spielform, die sich die Unterhaltung im Sinne von Horkheimer und Adorno positiv aneignet, um die bittere gesellschaftliche Botschaft über die Rampe zu transportieren. Was insofern nicht affirmativ wirkt.
Fast seit den Anfängen der 40jährigen Ära des Theater Mummpitz ist Michael Bang dabei, der den dichtenden Opa spielt, der seiner Würde sehr bewusst ist. Im Kostüm (von André Schreiber) erscheint er als Dandy mit grauen Schläfen, dem eigentlich nichts etwas anhaben kann. Da muss sein Gegenpart – Christine Mertens als Fürsorgerin – schon sichtlich dagegensetzen. Die Fürsorgerin verwandelt sich von der verbissenen strengen Beamtin hin zu einer Frau, die Empathie empfinden kann. Was klischeehaft klingt, wirkt in ihrem Spiel überhaupt nicht so, es macht ungemein Spaß zuzusehen, wie Mertens das „Amtsmäßige“ zunehmend abzustreifen versucht. Gabriel Drempetic als der quengelige Jüngste, Özgür Kantar als Karl (11) und Sabine Zieser als pfiffige Schwester (9) spielen die drei Kinder, die eigentlich immer nur reagieren können auf das, was die Erwachsenen anrichten. Ihnen hat die Regie sprachliche Feinheiten verpasst, in der Wiederholung von Sätzen, aber auch in den Fragen des Jüngsten, die immer genau den Punkt treffen. Michael Schramm wiederum spielt mitunter den Polizisten, karrieregeil, tragisch-komisch in seinen eigenen Ansprüchen verstrickt, so verbohrt, dass man fast mit ihm mitleiden möchte, wenn er nicht gleichzeitig so engstirnig agieren würde.
Das gelingt Andrea Maria Erl in ihrer Inszenierung durchgängig: Sie lässt mit den Figuren mitfühlen, verrät sie in keiner Sekunde – und lässt doch durch das Lachen Distanz zu. Eine Arbeit, die beglückt und auf eine grandiose Feier zum 50jährigen Bestehen hoffen lässt!