Hera Hyesang Park das „Addio del passato“ der Violetta Valéry aus Verdis „La traviata“, Selene Zanetti „Vissi d’arte“ aus „Tosca“, Leah Hawkins Desdemonas „Ave Maria“ aus „Otello“, Kiandra Howarth das „Un bel dì vedremo“ der Cio-Cio-San aus „Madama Butterfly“, Nadezhda Karyazina die „Habanera“ aus Bizets „Carmen“ und Adela Zaharia Lucia Ashtons „Il dolce suono“ aus „Lucia di Lammermoor“. Das gelingt ohne den Stückkontext mehr oder weniger überzeugend. Lauren Fagan schließlich muss sich dann mit dem „Casta Diva“ aus Bellinis „Norma“ sogar dem direkten Vergleich mit der Callas selbst stellen. In einer Einspielung aus dem Jahre 1954 hat sie das sozusagen letzte Wort des Abends. Maria singt bei geschlossenem Vorhang, sparsam umschmeichelnd begleitet vom abstandsaufgelockert in den ersten Parkettreihen platzierten Bayerischen Staatsorchester unter Leitung von Yoel Gamzou. An der Rampe dahinter versucht Mariana im goldnen glitzernden Gewand und mit großer Geste, dazu das Bühnencharisma der Callas zu imaginieren.
Verbunden werden die Teile dieser Best-of-Nummernrevue mit aufwändigen Videos, die den jeweiligen Bühnentod vorbereiten. Abramović raunt assoziative Texte, die von ihr und Petter Skavlan stammen. Zugespielt wird ein dräuend atmosphärischer Sound, mit dem sich der Komponist Marko Nikodijević, mit großer Geste gegen das ganze italienische Opernpathos zu stemmen versucht. Ohne ihm wirklich zu entkommen. Am Ende begleitet seine Musik den von Abramović mit sparsamer Gestik selbst „performten“ Tod der Callas, vor dem sie das Bett verlässt, das Fenster öffnet und das lichte und klingende Paris mit großem Klangeffekt ins Zimmer lässt. Dabei zählt sie ihre Schritte und entschwindet – schlicht und einfach ins Bad. Eine Performance-Erleuchtung war das nicht.
Eine szenische Pointe liefern die sieben Sängerinnen, die jetzt als Putzkolonne auftauchen, alle irdischen Spuren wegräumen, desinfizieren und alles mit schwarzen Tüchern verhängen. Das ist im Grunde unspektakulär und vorhersehbar gebaut. Eine eigene ästhetische Qualität beanspruchen die Videos, bei denen Nabil Elderkin Regie geführt hat. Hier ist neben Abramović auch US-Schauspieler Willem Dafoe (er war schon 2012 ihr Partner in Robert Wilsons „The Life and Death of Marina Abramović“) zu sehen. Er sitzt am Bett, wenn Violetta stirbt. Sie springt als Tosca nicht von der Engelsburg, sondern in Zeitlupe und im Gegenwind von einem Wolkenkratzer geradewegs auf einem Autodach. Otello legt Marina-Desdemona eine würgende Riesenschlange um den Hals. Butterfly spaziert mit Dafoe durch eine verstrahlt zerstörte Landschaft, bis sie sich den Schutzanzug aufreißt und mit entblößter Brust tot zu Boden sinkt. Als Carmen bleibt sie gefesselt, erstochen und im bedeutungsschwangeren Torero-Kostüm am Boden. Und als Lucia zertrümmert sie im aufziehenden Wahnsinn alle Spiegel, also sich selbst bis aufs Blut. Als Norma schließlich schreitet sie an der Seite des als Frau kostümierten Dafoe endzeitdräuend auf ein loderndes Feuer zu. Dazu immer wieder Wolkiges aller Couleur. Für sich genommen sind das alles Hingucker, aufs Ganze gesehen aber doch eher Behauptungen, die in wabernden Wolkengebirgen schweben.
Die Oper neu erfunden hat Abramović damit nicht. Gleichwohl gilt auch für München: Heutzutage ist noch jeder Vorhang, der sich hebt, ein Erfolg. Das Münchner Best-of Projekt von Abramović hat seine Wohlfühlqualitäten ohne Verstörungsgefahr. Es ist eine Koproduktion mit der Deutschen Oper Berlin, dem Maggio Musicale in Florenz und den Nationalopern in Athen und Paris.
Wenn es so gegen die aktuelle Bedrohung eines Genres geht, dann kann auf der Bühne gar nicht genug gestorben werden. Selbst wenn es vor allem eine ganz persönliche Hommage einer bedeutenden lebenden an eine übergroße tote Künstlerin bleibt. Aber die ist ja nicht wirklich tot.