Die 70-minütige Choreografie von Antoine Jully zeigt neue, auch symbolträchtige und manchmal skurrile Bewegungsqualitäten: insektenartige Rückwärtsbewegungen, Männer im Spitzentanz und gestische Bewegungsfolgen, die manchmal an Pina Bausch erinnern. In einer für Jully gewohnt raschen Abfolge von Zusammenkünften und Zerstreuungen kreist der Abend auch tänzerisch um die Thematik von Vanitas. Perfekt synchronisierte Gruppenchoreographien wechseln sich gekonnt mit Solos und Duos ab, lösen sich auf und finden temporeich und fließend wieder neu zusammen. Diese Flüchtigkeit und Wiederholung ist zunächst ein passender Ausdruck von Zeit und Endlichkeit; dann dem ständigen Kreislauf von Leben und Tod.
„Vanitas“ ähnelt einem bewegten Bild, in dem sich nach und nach immer mehr Themen und Details entdecken lassen. Und gäbe es innerhalb der ständigen Wiederholungen nun auch den Mut zu Brüchen, beispielsweise in Tempo-Variationen wie Zeitlupe oder Standbildern, dann wäre auch die thematisch vorgegebene Leere und Stille greifbar. Dagegen kann das atemlos fließende Tempo, die choreographische Fülle sowie die immer wieder gezeigte technische Perfektion der Compagnie auch ermüden. Setzt man zu viel darauf, geht ein Stück der Tiefe verloren, die so berühren kann, wie Sciarrinos Musik. Das beweist der wunderbare Bruch zum Schluss der Choreographie, wo Jully – bevor wieder alle gestikulierend in einer Reihe sitzen wie am Anfang – mit Léo Ferrés „Avec le temps“ eine neue Musik einsetzt, zu der zunächst die Tänzerin Adi Hanan einen wunderbaren Tanz beginnt, bevor immer mehr Ensemblemitglieder dazu kommen. Das berührt das Herz und ist zum Weinen schön!