Stefanie Reinsperger spielt die Rottin großartig. Sie changiert zwischen erbitterter Wut und ganz feinen Liebesbekundungen. Wie die beiden immer wieder zu ganz verzagt-zarten Körperberührungen kommen, gehört zu den Stärken der Inszenierung von Michael Thalheimer am Berliner Ensemble, wie überhaupt die Arbeit mit den Schauspielern viele psychologische Feinheiten zeigt. Josefin Platt beispielsweise gelingt als Großvater Rott als eine ganz feine Studie eines Menschen, der sein Ende nahen sieht und die Wirklichkeit eigentlich nicht mehr begreifen möchte. Barbara Schnitzler, ganz in Schwarz (Kostüme: Nehle Balkhausen), spielt die strenge Mutter der Rottin, die ihre verlorenen Schäfchen wieder einsammeln möchte. Laura Balz stellt Spatz, den Sohn, als aufmüpfiges Kind dar, das sich seine eigene Phantasiewelt schafft. Mit dabei sind Tilo Nest als Englbauer, der alle Höfe von denen, die ihre Heimat verlassen müssen, um billiges Geld für seine Kinder aufkauft, Jonathan Kempf als Peter, Gerit Jansen als Schwager und Veit Schubert als Baden und Schreiben.
Wenn „Thalheimer“ drauf steht, weiß man, dass die Handlungen entschlackt und kondensiert werden, dass die so entschälten Kerne die Handlungen in ihrer aktuellen Bedeutung freilegen sollen. Das funktioniert hier sehr gut. Auch sonst bewähren sich die Mittel seiner Methode: das frontale Spiel in der Nähe der Rampe zum Publikum hin, die Kürze der Szenen, zwischen denen die Drehbühne kreist und harte rhythmische Musiken von Bert Wrede, die die Szenen trennen und sich auch sonst an Filmmusiken orientieren. Ein hoher Wandturm dominiert das Bühnenbild von Nehle Balkhausen, dessen Betäfelung bei den Umdrehungen kupferartig glänzt, in den Szenen aber meist trist grau erscheint. Wie überhaupt die Lichtstimmungen von Ulrich Eh mehr mit dem Dunkel als dem Hell arbeiten. Bildnerisch erinnert die Lichtgestaltung an Arbeiten aus der Rembrandtschule.