Foto: Was bleibt, ist Krieg. Julian Laybourne, Nina Vieten, Dorothea Röger, Vinzenz Wegmüller in "Der Frieden". © Nasser Hashemi
Text:Ute Grundmann, am 28. September 2019
„Wir opfern, um des lieben Friedens willen, den Frieden.“ Der Altar dafür ist eine Lichtwand, die Opfergaben sind schwarze Bälle. Sie bestimmen auch das Bühnenbild von Jan Klammer im Ostflügel des Schauspiel Chemnitz. Der kleine Bühnenboden ist damit bedeckt, dazwischen liegen zunächst vier junge Schauspieler und ebenso viele abgeschlagene Götterköpfe. So beginnt die Studioinszenierung von Peter Hacks‘ „Der Frieden“, Gelegenheit für vier junge Mimen und den Regisseur, sich dem Chemnitzer Publikum erstmals zu präsentieren.
Dem griechischen Dichter Aristophanes hat Hacks sein Stück abgelauscht, das 1962 im Deutschen Theater in Ostberlin uraufgeführt wurde. Beider Thema: der immer ersehnte, immer zerbrechliche Frieden. Wir in Europa können ihn seit Jahrzehnten genießen, die Menschen in Afghanistan oder Syrien quält der Krieg bis heute. Das sollte, muss mitdenken, wer auf der Bühne über Frieden nachdenkt. – Spannende Parallele: Auch im Staatsschauspiel Dresden ging es am selben Abend um das gleiche Thema, in Brechts „Mutter Courage“ in der Inszenierung von Armin Petras. – Regisseur Branko Janack und Dramaturgin Kathrin Brune haben offenbar mitgedacht und so erinnern nur die Torsi der nicht mehr gebrauchten Götter an das alte Griechenland. Auf der dunkel-poetischen Bühne wird heutig-legere Kleidung getragen, Frauen wie Männer in Kleid oder Hose gleichermaßen, die Rollen werden von den vier Schauspielstudenten oft und beiläufig an der Kleiderstange gewechselt (Kostüme: Una Jankov). Theater im Theater also auch.
„Es ist Krieg! Jammer!“ Mit diesem seit ewigen Zeiten gleichen Schreckensruf beginnen Stück und Inszenierung, zu heiter-tänzelnder Musik und mit babylonischem Sprachgewirr (Musik: Max Nübling). Alle reden durcheinander, jeder will mal Trygaios, der seltsame Held dieses Friedensringens sein. Besonders lässig versetzt sich Dorothea Röger in diese Rolle: „Ich bin jetzt Trygaios, geht euch schon mal umziehen“, bestimmt sie die Kollegen. Für Julian Laybourne ist Hermes die nächste Aufgabe: Mit Pilotenbrille und Clownshose gar nicht göttlich. Auch nicht seine Kunde: Die Götter zogen fort, ließen den Krieg zurück.
Das hat bis hierher Biss, kräftigen Zugriff, Ernst und Komik. Die schwarzen Bälle veranschaulichen die Verdauung eines empfindlichen Kritikers, landen aber auch im Publikum, das mal die Kinder Hellas, mal gesegnete Zuschauer zu sein hat. Und wenn die Akteure durch die Bälle waten, rauscht und raschelt es.
Und doch ist Peter Hacks‘ Stück auch in die Jahre gekommen. Der agitatorische Gestus stört, die Sprache ist bald altväterlich („Du bist des Todes“), mal gestelzt drastisch („soll ich das Tor rammeln, äh, verrammeln?“). Das scheinen auch Regieteam und Ensemble zu spüren und so übertönt laute Musik à la „Abba“ den Text, wird aus einer McDonald’s-Tüte gefuttert, ehe es wieder hör- und spürbar ernst wird. Denn da ist, in schlichtem blauen Gewand, die Friedensgöttin Eirene (Nina Vieten) erschienen. Doch auch sie kann zur namensgebenden Sehnsucht nicht verhelfen, will bald nach Hause. Und nach der Klage des Sklaven (Vinzenz Wegmüller) drängen noch die Kriegsgewinnler auf die Szene, denen der Frieden bloß ihr Geschäft verdirbt.
Doch die Sehnsucht bleibt und so gibt es am Ende Friedens-Shirts und ein Freedom-Lied, das alle heulen lässt wie Greta vor der Klimakonferenz. Nach 90 Minuten freundlicher Applaus für die Youngster, denen zuzuhören ein Vergnügen ist.