Danach verteilt sich das Publikum auf Zuschauerraum und Bühne des Theaters, die mit einer Installation aus schwebenden, startenden und abgestürzten Segelflugzeugen (Ausstattung: Christian Wiehle) bestückt sind. Sieht ziemlich eindrucksvoll aus und ruft von der geflügelten Amor-Ikonographie über Naturbeherrschung via Technik bis zur Klimakatastrophe des abgeholzten Athener Walds alles Mögliche auf, bleibt aber doch etwas dünn an Erkenntnisgewinn. Zwischen Flugzeugrümpfen und abstrakten Puppenkörpern (Tote?) vollzieht sich das berühmte Verwechslungsspiel.
Titania und Oberon (Elisabeth Hoppe, Jan Viethen) in beigefarbenem Anzug und Kleid geben das zickende ältere Ehepaar, ausgestattet mit einer Fernbedienung, die es erlaubt, das Geschehen zurück- und vorzuspulen. Der Wechsel des Programms ist aber nicht drin. Der Streit um das kleine Balg wird sehr hart geführt, die Totenpuppen dienen dabei als Demonstrationsobjekt. Diese hart geführte Auseinandersetzung gibt den Tenor vor für alles Folgende. Paul-Georg Dittrich nimmt das Stück „ernst“ in dem Sinn, dass er Shakespeare alles Komödiantische, alles Spielerische, alles „Poetische“ ausgetrieben hat. Es geht hart, laut und empört zu. Am deutlichsten zeigt sich das bei Puck (Clemens Dönicke) im bunten Hosenanzug, der sich virtuelle Niederschläge von Oberon gefallen lassen muss und auch gern im Laufschritt über die Bühne läuft, aber weder lustvoll, irr, durchgeknallt oder sonst etwas ist, sondern nur ein kindlicher Vollstrecker ohne Spieltrieb. Die Liebestropfen gewinnt er, indem er ein Handy in den Mixer steckt und daraus ein digitales Smoothie gewinnt. Liebesverwirrung 4.0. Der blond-adrette Demetrius im kurzärmeligen Anzug ist ein Musterschüler, der nun von der liebestollen Diva Helena (Lisa Wolle) im silber-goldfarbenen Hosenanzug verfolgt wird. Disparater kann ein Paar nicht sein. Ihr Pendant Lysander (Burak Hoffmann) wirkt dagegen fast orientierungslos, obwohl er doch eigentlich Ayana Goldsteins etwas biederen Hermia nachstellen müsste, die ihn immer wieder auf eine Kameraprojektion hinlenkt. Man wechselt von Shakespeare zu therapeutischen Floskeln und zurück, irritiert oder verstört ist keine der Figuren. Eher wütend angesichts der amourösen Fehlfunktion. Unterlaufen wird diese Wut immer wieder durch die Musik eines Trios aus Kontrabass, Akkordeon, Trompete und Saxophon (Jan Klare, Matthias Bergmann, Alexander Pankov), das zwischen Miles Davis und Uri Caine das Geschehen untermalt, unterbricht, Arien und Lieder begleitet. Nichtsdestotrotz: Anteil nimmt man an keiner der Figuren. Es bleibt eine konzeptionelle Distanz, die einer Art interpretatorischem Funktionalismus frönt wie man das schon bei Dittrichs Bremer „Fidelio“ beobachten konnte.
Zum Schluss wird das Publikum zur Hochzeits-Coda aus dem Zuschauerraum zurück auf den Platz gescheucht. Eine Gruppe betätigt sich als zweistimmiger Sprechchor, eine andere spielt Massentrauung und eine dritte darf Holzstämme zersägen. So aufwendig diese vollmundig als „multimediales Gesamtkunstwerk“ angekündigte Inszenierung daherkommt, ihre Einzelteile schließen sich nicht zusammen. Und die Frage, ob Shakespeares „Sommernachtstraum“ Aussagen über die Liebe im digitalen Zeitalter zulässt, wird letztlich nicht wirklich beantwortet.