Walburg lässt in seiner Inszenierung Engel mit kohlrabenschwarzen Flügeln pathetisch die Bühne abschreiten, zuvor sind bereits Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg mit Helm und Uniform über die Bühne gerobbt, auch ein Pionier mit blauem Halstuch ist wiederauferstanden. Eine recht hilflose Bebilderung der Müllerschen Welt, dazu bedeutungsschwer hinstatuierte Zitate, die Müllers Sprechmischung aus ins Glas genuschelter Lakonie und gleichzeitigem Zünden verbaler Sprengsätze, von Stalingrad über Hitler und Auschwitz, ins Gegenteil verkehrt. Und doch ist das noch der gelungenste Teil dieser versuchten Hommage an Heiner Müller, denn zumindest ist hier die berserkerstarke Sprache des politischen Müllers zu hören. Ansonsten setzt sich Katers Stück „heiner 1 – 4“ in eigenen Worten mit dem Privat- und Theatermann auseinander.
In „heiner 1“ lässt er zwei Menschen jenen Bildband anschauen, den Müllers junge Witwe Brigitte Maria Mayer zehn Jahre nach dessen Tod veröffentlich hat, mit privaten Fotos aus der kurzen Zeit, die den beiden miteinander geblieben war. Müller und Mayer im Bademantel, halbnackt, Müller im Krankenhaus, dünn und geschwächt. Abwechselnd sprechen Carina Zichner, Veit Schubert, Felix Rech, Kathrin Wehlisch und Bardo Böhlefeld ins Publikum, was sie sehen, das Foto soll im Kopf des Zuschauers entstehen. „Bildbeschreibung“ ist dieser Teil betitelt, nach Müllers berühmtem Prosatext. Doch hier wird weniger beschrieben, als hineininterpretiert – Mutmaßungen über Liebe und Abschied in einer intimen Beziehung.
Noch problematischer dann die Annäherungsversuche in Teil Drei und Vier der „heiner“-Tetralogie. Der Theaterapparat der 1990er Jahre soll persifliert werden, als Müller das Berliner Ensemble leitete – heraus kommt eine flache Insider-Farce, die wohl selbst Zeitzeugen nur ein müdes Lächeln abgewinnt. Im letzten Kapitel dann irrt Müller durch das heutige Berlin. Seine letzten Worte: „ich hasse euch alle / alles was nach mir ist wird sein als wenn es nie gewesen wäre / keine hat mich so verändert wie du / keine hat mich so bewegt / ich werde nie wieder so alt sein / danke mein schatz“.
Rätselhaft, weshalb Kater ihm diese Worte in den Mund legt. Ein missglückter Versuch, Müllers Sprache zu imitieren? Ebenso undurchschaubar bleibt, für wen er das Stück geschrieben hat. Was uns Müller heute noch zu sagen hat, wer er war, wofür er stand, bleibt für den ungeübten Theatergänger kryptisch – für Experten muss der Text dagegen lächerlich schmal wirken. Ohnehin fragt man sich, weshalb es ein Drama über einen Dramatiker braucht. Wenn das Berliner Ensemble von der Sprachkraft dieses gewichtigen, vielschichtigen Autors überzeugt ist, sollte es seine Stücke spielen. Und zwar nicht im Kleinen Haus, wo seit Oliver Reeses Intendanz sämtliche neuen Stücke hinverbannt werden, so auch dieses, sondern auf der Großen Bühne. Alles andere ist unglaubwürdig für ein Haus, das vorgibt, sich dem zeitgenössischen Autorentheater verschrieben zu haben.