Die Szenerie ist ein kühles Labor: Ein Getränkewagen voller Reagenzgläser und Retorten, an der Rückwand verändern Lichtketten ihre Farbe, wie ein Schaltplan. Maria Dietze bewegt die oberkörpergroße Puppe des Professor, der seine Optimierungspläne vorantreibt, den Assistenten gibt Tizian Steffen. Es beginnt harmlos, mit der Perfektionierung der Erhitzung eines Kochtopfes. Die gelingt, nur leider fehlt der Küche die Tür. Dann jedoch wagt der Professor sich an das perfekte genmanipulierte Designerbaby. Eine Puppenfrau bestellt ein hochbegabtes Kind, ein schon optimiertes Baby wird per Post storniert. Das ist hübsch anzusehen, auch ironisch, aber insgesamt zu naiv in Ton- und Machart, vor allem, wenn man die aktuellen Meldungen aus China bedenkt, wo ein Forscher bei durch künstliche Befruchtung entstandenen Zwillingen in deren Erbgut eingegriffen haben soll. Da bleibt das Optimierungs-Puppenspiel nur eine launige Satire.
Ein ganz andres Kaliber gibt es nach der Pause. „200 Jahre lang haben uns die Europäer ihre Opern geschickt. Nun schicke ich sie alle zurück“, zitiert der Programmzettel John Cage. Johannes Weigand, Intendant des Anhaltischen Theaters Dessau, hat die reduzierteste Form seines Werks, „Europera 5“, in heimeliger Atmosphäre inszeniert. Ein Piano samt gemütlicher Stehlampe, ein schönes Grammophon, ebenfalls lampenbeschienen. Dazu noch ein plüschiger Monsterkopf und eine Tiermaske auf dem Boden (Ausstattung: Nancy Ungurean). Es bleibt lange still, Pianist Wolfgang Kluge, der Musikwissenschaftler Jürgen Schebera am Grammophon, Sänger Ulf Paulsen im schwarzweißkarierten Clownsanzug und Sängerin Annika Boos in roter Robe und weißem Pelzschleppenmantel rühren sich nicht. Dann besingt Paulsen ein kühnes, herrliches Kind (seine Stimme ist fast zu kraftvoll für den kleinen Raum), Schebera setzt zum ersten Mal die Grammophonnadel auf, eine Tenorstimme erklingt und übertönt zunächst den „leibhaftigen“ Sänger. Boos setzt die gehörnte Tiermaske auf, vom Klavier klingen harte, kantige Töne. So weit, so normal. Doch dann beginnen die Absurditäten: Sänger und Grammophon starten einen Sängerkrieg (wer kann lauter?), Kluge blättert zwar um, bleibt aber bei seinem Als-Ob-Klavierspiel, zwischendurch rauschen Marschklänge aus kleinen Lautsprechern. Schließlich streift Ulf Paulsen sich ernst- und heldenhaft den Monsterkopf über, steht minutenlang in Positur, dazu erklingt nun wieder reales Klavierspiel. Johannes Weigand ist eine, wie vorgeschrieben, exakt 60 Minuten lange, Inszenierung gelungen, die Cage stringent auf die Bühne bringt, Ironie und Irrwitz nutzt, aber nie unernst wird.