Die nun in Heidelberg an das Gelände eines Technologieparks angepasste Performance war schon 2016 für ein Festival in Italien entstanden, seither hat Pérez das Stück an diversen Spielstätten Europas gezeigt. Es geht ihm um die spezifische Verlebendigung eines Ortes, an dem eine Gruppe von fast animalischen Wesen haust – und in den das Publikum mit Kopfhörern und penetranter Neugier quasi eindringt, geleitet durch das natürliche Wegenetz des Parks und durch minimale Zeigegesten des Theaterpersonals. Wer dringt hier eigentlich in wessen Kultur ein?
Zwischen Plattenbauten, auf Wiesen, Treppen, Parkbänken und in einer Hängeweide klettern, tanzen, kriechen sie mal amöbenhaft im Gruppenknäuel, mal als scheue Einzelgänger umher, im Abstand von teils wenigen Zentimetern zum Publikum. Ohrlöcher kann man zählen, grellblaue Kontaktlinsen sehen, wird selbst skeptisch gemustert – und muss in jeder Szene neu entscheiden, wie nah man hier eigentlich ran will. Das hat eine erstaunlich sensible Gruppendynamik zur Folge, man achtet aufeinander, auf den freien Blick des Rollstuhlfahrers neben einem und ist doch isoliert durch den Klangteppich, der einem über Kopfhörer ins Ohr dröhnt (Musik: Rutger Zuydervelt).
Klar: tänzerisch passiert da noch nicht allzu viel außer Klettermanövern, wenigen Ensembleszenen und einem nass-romantischen Duett unterm Gartenschlauch mit ein paar kräftigen Hebungen und Drehungen. Aber „The Inhabitants“ (die Einwohner) ist von Pérez wohl mehr als Publikumsbegegnung gedacht, ein Ankommen und gegenseitiges Beschnuppern, bei dem einem nichtsdestotrotz schon einige charismatische Tänzer-Persönlichkeiten in dieser jungen Truppe auffallen. Die will man bald auch auf der Bühne sehen! Anfang Dezember bring Iván Pérez mit „Impression“ die erste Neukreation für Heidelberg heraus. International hat sich der 35-Jährige, der zuletzt für das Ballett der Pariser Oper choreographiert hat, seit seiner Tänzer-Laufbahn beim Nederlands Dans Theater (NDT) schon einen beachtlichen Ruf erarbeitet. Sicher wird es ihm gelingen, Heidelbergs in den letzten Jahren wieder entflammte Tanzbegeisterung aufzunehmen.
Nach einer Stunde kreuzt der Publikumsstrom nochmal die Ampel zurück zum Octapharma-Gebäude, folgt den Tänzerinnen und Tänzern, die hinter Glasscheiben letzte Kontaktmanöver starten und sich dann verkriechen.