Die sonst auf Anfangsspott und Schlussklage beschränkten drei Schwestern sind hingegen, abgesehen vom zweiten Bild, komplett im Geschehen. Als Rachehelfer kommen die befreiten Rheintöchter auch nach Walhall und verfolgen erst gebannt die Demütigung ihres Peinigers, werden dann aber von der Macht des Rings und Wotan enttäuscht, um für die abschließende Klage beim Einzug der Götter als Nornen-Trio wieder in Erscheinung zu treten. Der optische Bezug zum Vorspiel der Götterdämmerung ist einer der vielen Binnenbezüge, die Markus Dietz gezielt einsetzt, um die Motivation zu stärken. Der Eindruck des visuell prophetisch gestalteten finalen Auftritts der Rheintöchter gibt das Stichwort zu Loges Schlussmonolog.
Dem oft als zusätzliche Quälerei empfundenen Auftritt Erdas gibt die Kasseler Neuinszenierung durch einen weiteren Bezug auf das Werk Richard Wagners Bedeutung. Erscheint schon das Kleid der Dea ex Machina als fehlendes Stück zum Walhall-Logo, so bringt erst der Kuss der weisen Frau Wotan zur Einsicht und Aufgabe des Rings, die Parsifal-Parallele gibt der sonst schwächsten Szene des Rheingoldes eine zusätzliche Bedeutung, die bis in die letzten Takte durchhält und schon auf die Walküre vorausweist. Zur finalen Steigerung der Einzugsmusik wirft Erda ihren Rock ab und paart sich mit Wotan, bevor der Vorhang fällt. Brünnhilde ist auf den Weg gebracht. Für diesen letzten Moment behält sich Francesco Angelico den vollen Orchestereinsatz vor. Das Dirigat von Francesco Angelico ist durchweg sängerfreudig und auf einen konstanten Fluss bedacht. Der Generalmusikdirektor lässt sich beim Rheingold sehr viel Zeit und das Orchester auch in den rein instrumentalen Passagen (Verwandlungsmusik) nicht von der Leine, wer auf spektakuläre Brillanz in typischen Momenten gehofft hatte, wurde sicher enttäuscht, bis auf einen Hornkikser im zweiten Bild gab es auch keine Patzer zu beklagen.
Das durch etliche Gäste verstärkte Sängerensemble leistet sich auch keine Schwächen und stellt sich komplett in den Dienst der Inszenierung. Stimmgewaltige Ausbrüche ertönen im rechten Moment, tatsächlich erweist sich Hansung Yoo als Donner bei der Beschwörung der Naturgewalten vor dem Einzug der Götter als lauteste Stimme, Wotan ist im Rheingold häufiger hilflos als allmächtig, deshalb glänzt Bjarni Thor Christinssons Göttervater bei seinen Manövern auch nicht durch Stimmgewalt. Machtdemonstrationen mit den Stimmbändern finden nicht statt, in diesem Rheingold wird niemand an die Wand gesungen. Auch die Riesen Fasolt und Fafner demonstrieren ihre Machtposition durch eifriges Betätscheln von Freia, die als Geisel auch mal an einen Pfeiler von Walhall gefesselt und geknebelt wird.
Vereinzelte Buhrufe ertönten nach dem Verklingen der letzten Takte, vielleicht hatte die starke Sexualisierung der Machtverhältnisse im Ring für das 21. Jahrhundert ein paar Altwagnerianer verschreckt. Alles in allem weist die Inszenierung von Markus Dietz aber vergleichsweise wenig Inkonsistenzen auf. Die unvermittelte Kräftigung Wotans, dem Loge ebenfalls den Apfel verweigert, entwertet die Wucht der Vergreisungsattacke, die den Göttervater dazu zwingt, die Konfrontation mit Alberich im Rollator zu bestehen. Auch die Szene, in der Freia nur unzureichend vom humanisierten Rheingold verdeckt wird, ist nicht glücklich gelöst, an die 30 Statisten können jede Person absolut blickdicht verdecken. Trotz kleiner Einwände im Detail ist die Neuinszenierung des Vorabends gelungen und weckt hohe Erwartungen für die Walküre.