Foto: Das 'A' Trio. Mazen kerbaj, Raed Yassin und Sharif Sehnaoui (v.l.) © Sharif Sehnaoui
Text:Andreas Falentin, am 23. August 2018
Experimenteller Sound mit audiovisueller Komponente von der ältesten freien Musikformation des Libanon.
In der breiten Öffentlichkeit wird die Ruhrtriennale vor allem als Theaterfestival wahrgenommen. Dabei kümmert sich die Triennale seit den Anfängen unter Gerard Mortier, sei es mit spartenübergreifenden Projekten, in Installations- oder Konzertform. Der Vor-Vorgänger von Stefanie Carp, Heiner Goebbels, legte hierfür eigens die Reihe „Konzerte im Maschinenhaus“ auf, in der Musiker mit eigenwilligem künstlerischen Profil vom Rand des Klassik-Spektrums präsentiert wurden. Johan Simons führte die Reihe fort und öffnete sie stärker in andere Musikrichtungen. Bei der aktuellen Intendanz heißt das Format nun „MaschinenHausMusik“ und präsentiert, der diesjährigen Festivalidee folgend Musiker, die nicht – oder nicht ausschließlich – in der europäischen Kultur verwurzelt sind.
Leider fiel auch die erste Veranstaltung der diesjährigen Reihe der durch das mehrfache Ein- und Ausladen der Young Fathers entbrannten Antisemitismus- und Political Correctness-Debatte des Festivals zum Opfer. Das in der Türkei basierte Hezarfen Ensemble sagte seinen Auftritt ab, wohl um nicht in den Sumpf jener Debatte zu geraten. So war das Konzert des ‘A‘ Trios aus dem Libanon sozusagen die diesjährige Eröffnungsveranstaltung der ambitionierten Reihe im Maschinenhaus der Essener Zeche Carl. Es wurde ein lauter und frischer Abend. Raed Yassin (Kontrabass), Sharif Senaoui (Gitarre) und Mazen Kerbaj (Trompete) trieben auf ihren präparierten und elektronisch abgenommenen Instrumenten irgendetwas zwischen Techno und japanischer Noise-Musik auf Improvisationsbasis, Minimal Krach mit skurrilen Objekten und Verrenkungen. Da werden nicht nur rhythmisch Metallkügelchen in die Trompete gestreut, sie wird auch durch ein schlauchartiges Mundstück erweitert, das auch als Saiteninstrument eingesetzt wird; die Gitarre wird mit Löffeln bedient; der durchgängig gegen einen Stuhl gekippte Kontrabass dient zwischendurch einfach mal als Ablage für Klangschalen, an der mit einem Metallbogen hingebungsvoll herumgesägt wird. 40 Minuten dauerte das durch Aufeinanderhören gesteuerte Musikstück, erfreute viele im überraschend jungen Publikum, trieb einige aber auch aus dem Haus, wohl vor allem wegen der Lautstärke und vordergründigen Monotonie, die sich aber in spannender, hoch innovative Weise stets in kleinste, extrem ungewöhnliche musikalische Strukturen aufspaltete.
Nach der Pause gab es dann „Wormholes“. Jetzt saß Mazen Kerbaj ohne Trompete vor einer präparierten Glasplatte. Durch die Sounds von Sharif Sehnaoui und Tony Elieh ließ er sich zu einer stets spontanen visuellen Performance inspirieren. Mit Flüssigkeiten, Fetten, Sprays und Folien gestaltet er schwarz-weiße optische Mikrostrukturen, die dann auf eine Leinwand projiziert werden, grundsätzlich abstrakt, aber offen für gegenständliche Phantasien. Kerbaj, der in seiner Heimat auch als Comic-Zeichner Renomee genießt, verzaubert mit visueller Fantasie und rhythmischer Genauigkeit. Völlig frei scheint das alles gestaltet und herbeiassoziiert, wirkt hochpoetisch und fügt sich in rätselhafterweise stringent zusammen bis hin zum finalen Schriftzug: „Wir sind die Toten von Morgen“. Nicht allen gefiel das, mehreren Zuschauern kam es willkürlich, spekulativ und – wieder – „körperschädigend“ laut vor. Für die Triennale war es aber eine fantastische Veranstaltung, einzigartig und dabei passgenau im diesjährigen Festspielkonzept verankert. Kein Theater, aber schön.